3. Advent, 14.12.2025, Mt.11,2-6, Mutterhauskirche, Ulrike Heimann
Liebe Gemeinde,
diese Erfahrung haben wir alle schon gemacht: dass zwischen dem, was wir erwarten und erhoffen, und dem, was dann tatsächlich wird, eine gewaltige Lücke klaffen kann.
Diese Erfahrung, diese Spannung kennzeichnete auch das Leben von Johannes dem Täufer. Er hatte sein Volk zur Umkehr aufgerufen. Sein Ruf war unerbittlich und überzeugend ernst. In seiner Predigt geißelte er alles Halbe und Laue. Damit traf er viele mitten ins Herz, und sie kamen in Scharen zu ihm hinaus an den Rand der Wüste.
Eigentlich erstaunlich, denn was er da zu sagen hatte, war keineswegs einladend. Die Gottsuchenden und Frommen stieß er vor den Kopf, beschimpfte sie als „Schlangenbrut“. Er verkündigte das Nahen des Gottesreiches in der Gestalt eines Messias, der hart durchgreifen würde. Einen Mann, der mit hartem Besen kehrt, die Spreu vom Weizen trennt. Der alles Morsche und Untaugliche wie mit einer Axt abhauen und im Feuer verbrennen wird.
Schon erstaunlich, dass da nicht alle wegliefen. Sondern dass viele ihm zuhörten. Für sie war er glaubwürdig. Wie er dastand in einem einfachen Gewand aus Kamelhaaren, mit einer Schnur als Gürtel. Ein Asket durch und durch. Keiner von denen, die anderen Wasser predigten und sich selber am Wein gütlich taten.. Einer, der nicht nur mit Worten, sondern mit seiner ganzen Existenz seine Mitmenschen aufrüttelte: „Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich – ist radikaler als ich – dem ist es noch ernster mit seinem Anliegen als mir; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen, in dem alles Laue, Lasche und Falsche verbrennt – endgültig.“
So hatte der Täufer die Ankunft des Messias angekündigt. Und dann war da einer gekommen, von dem sich die Leute erzählten, der könnte es sein, der erwartete Messias. Aber der kehrte nicht mit dem harten Besen und führte auch nicht die scharfe Axt in seinen Händen. Sondern er trat auf als Arzt für die Kranken, als Freund der Schwachen und Außenseiter, er verkündigte den Armen tatsächlich die frohe, freundliche Botschaft Gottes von Leben und Neuanfang.
Was war sonst zu merken von seinem Auftreten?
Hatte sich die Welt durch sein Erscheinen geändert?
Waren die Reichen weniger reich und die Armen weniger arm?
Gab es kein Leid, keine Ungerechtigkeit mehr, nichts Laues und Halbes, war alles Böse im Feuer verbrannt?
Im Gegenteil, so musste es zumindest der Täufer verstanden haben. Er, der sich als Wegbereiter und Vorbote des Gottesreiches, des Messias verstand, saß im Gefängnis.
Er, der mutig die Schweinereien des Herodes beim Namen genannt hatte, schwankte zweifelnd wie ein Rohr im Wind und fragte sich, ob alles nicht einfach ein Irrtum gewesen war. Ob er an diesen Jesus, von dem er sich so anderes erwartet hatte, glauben konnte: Bist du es, der da kommen soll – oder sollen wir auf einen anderen warten?
Die Spannung zwischen Erwartung und Wirklichkeit.
Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit ist diese Spannung, ja sind diese Widersprüche für viele Menschen besonders belastend. Je heller das Lichtermeer in den Straßen und Schaufenstern, um so schärfer die Schatten in der eigenen Seele. Alles lebt in der Erwartung auf das Fest der Familie. Da bricht bei vielen Menschen der Schmerz der Einsamkeit erst richtig auf. Und nicht wenige bekommen immer mehr Angst, je näher der 24. Dezember auf dem Kalender heranrückt. Angst vor einem Abend, an dem „O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit“ gesunden wird – und sie nur weinen können, weil der geliebte Partner, die geliebte Partnerin gestorben ist, weil die Kinder von den Eltern nichts wissen wollen, wo vergeblich auf eine Einladung gewartet wird.
Da hören wir die Botschaft der Engel vom Frieden auf Erden und das Fernsehen und die Zeitungen liefern uns täglich Bilder von zerbombten Häusern, verzweifelten Menschen, von Terroranschlägen und dem Elend von Flucht und Vertreibung. Da erhoffen sich nicht nur die Kinder reich gedeckte Gabentische - und die Nachrichten vertiefen unsere Kenntnisse über die „Friedensverhandlungen“ zwischen Putin und Trump – diesen gewissenlosen Machtmenschen und Brüdern im Ungeist.
Gegensätze zwischen Erwartung und Wirklichkeit, die wie beim Täufer ins Zentrum unseres Glaubens hineinreichen.
Wir alle haben Erwartungen an den, der da kommen soll. Und das mit Recht! Denn die oft wiederholten prophetischen Adventsverheißungen wollen ja keine leeren Worte sein. Die Vision eines Jesaja von einer Zeit, wo ein Säugling am Loch der Otter spielen kann oder die Vision eines Micha, der sieht, dass Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden – das sind keine Illusionen, sondern das sind Bilder der Hoffnung auf die Zukunft des Reiches Gottes, die der Heilige Geist selbst in ihre und in unsere Herzen gegeben hat.
Es fragt sich nur, wie das alles herbeikommen soll.
Offensichtlich nicht so, wie es sich Johannes vorgestellt hat. Und wie wir es uns wohl auch oft wünschen, wenn wir die verfahrenen Situationen in unserer Welt, in unserem Leben betrachten.
Der Messias Jesus kommt anders. Eben nicht mit dem eisernen Besen und der scharfen Axt. Nicht zum Schrecken korrupter oder nur auf ihren nächsten Wahlerfolg bedachter Politiker, nicht zum Schrecken machtbesessener Militärs und erfolgsgeiler Milliardäre, nicht zum Ende verstockter Sünder und standfester Atheisten. Auch nicht, um alle Schatten in dieser Welt zu retuschieren.
Er kommt als Menschenkind – geboren am Rand der Gesellschaft in Schwachheit und Armut.
Er wendet sich Zöllnern und Prostituierten zu.
Er redet mit denen, mit denen man nicht redet.
Er nimmt die ernst, die man überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt.
Er beschäftigt sich mit Kindern und fühlt sich in der Gesellschaft von Frauen wohl.
Er wirkt als Arzt und Therapeut und führt Aussätzige wieder in die Gemeinschaft der Menschen zurück.
Er verkündet den Armen das Evangelium, sagt ihnen, dass Gottes Liebe ihnen gilt, dass die gute Nachricht nur gut ist, wenn sie gerade die Armen einschließt und die frohe Botschaft nur dann froh genannt werden kann, wenn sich die Armen darüber freuen können.
Er stirbt am Kreuz – ohnmächtig.
Ist das der Messias? Der Heilige Gottes?
„Bist du es, der da kommen soll?“
Ist das der Messias, in dem Gott wirkt, der seine besten Leute allzu früh sterben lässt: Johannes der Täufer – enthauptet, Stephanus – gesteinigt, Johannes Hus – verbrannt, Dietrich Bonhoeffer – aufgehängt, Martin Luther King – erschossen.
Ist das der Messias, in dem Gott wirkt, der zulässt, dass auch noch in seinem Namen hunderttausende hingeschlachtet werden – nicht nur im finsteren Mittelalter, sondern bis in unsere Tage?
Ist das der Messias, in dem Gott wirkt, der Menschen dahinsiechen lässt an Aids, Malaria, Tuberkulose, Krebs, an Long-Covid und ALS und wie die Krankheiten alle heißen?
Unübersehbar ist die Zahl der Situationen, in der wir zum Fragen und Zweifeln kommen können. Auch solche, die stark sind im Glauben. Ich finde es gut, dass die Bibel die Zweifel und Fragen der Menschen nicht verschweigt, sondern ihnen Raum gibt.
Im Verhalten des Täufers und in der Antwort, die er bekommt, stecken einige Hinweise, die für alle gelten, die unter den Widersprüchen des Lebens leiden.
Zuerst: Johannes behält seine Fragen und Zweifel nicht bei sich, er grübelt nicht in der Stille und macht sich damit mürbe. Er wendet sich direkt an Jesus: „Bist du es, der da kommen soll?“
Jeder echte Glaube fragt – immer wieder.
Jeder echte Glaube sucht – immer weiter.
Leo Tolstoi hat das einmal so ausgedrückt: „Wenn dir der Gedanke kommt, dass alles, was du über Gott gedacht hast, verkehrt ist, und dass es keinen Gott gibt, so gerate darüber nicht in Bestürzung. Es geht vielen so. Glaube aber nicht, dass dein Unglaube daher rühre, dass es keinen Gott gibt. Wenn du nicht mehr an den Gott glauben kannst, an den du früher geglaubt hast, so rührt das daher, dass in deinem Glauben etwas verkehrt war, und du musst dich besser bemühen, zu begreifen, was du Gott nennst.“
„Bist du es, der da kommen soll?“ fragt Johannes zerrissen von den Erwartungen und Hoffnungen, die er sich vom Messias und seinem Kommen gemacht hat. Und Jesus antwortet ihm, indem er auf das Geschehen verweist, das seinen Weg begleitet: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören ...“ Die Verwandlung der Welt hat begonnen, wenn man genau hinsieht und hinhört. Ist Johannes, ist uns das zu wenig? Geht es uns nicht schnell genug? Hätten wir nicht doch lieber einen Messias mit hartem Besen und scharfer Axt? Einen, der die Bösen das Fürchten lehrt? Jesus kennt diese Neigung des menschlichen Herzens. Er weiß, wie gern wir unseren Willen zum Willen Gottes erklären. Und deshalb fügt er seiner Antwort an Johannes einen wichtigen Satz an: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“
Glücklich, wer sich so auf die Herrschaft Gottes einlassen kann, wie sie von Gott her Gestalt annimmt.
Glücklich, wer dazu Ja sagt, dass das Evangelium gerade und ausdrücklich die Armen der Welt anspricht und sie froh machen will.
Glücklich, wer von seinen Vorstellungen Abschied nehmen und in den Willen Gottes einstimmen kann.
Glücklich, sagt Jesus, wer mit mir weiter macht da, wo ich begonnen habe, wer sich nicht entmutigen lässt, sondern mit mir Zeichen setzt, Zeichen des Reiches Gottes in dieser Welt.
Glücklich, wer begriffen hat, dass sich das Reich Gottes von unten nach oben hin aufbaut, dass es wächst wie ein Samenkorn.
Wie könnte das für uns konkret aussehen?
Wie können wir uns hineinnehmen lassen in das Kommen des Reiches Gottes, das mit Jesus begonnen hat?
Dazu einige Anregungen in Form einer Meditation über unseren Predigttext:
Als sie aber die Geschichte Jesu hörten und wie es ihm ergangen war, da trieb sie die Frage um:
Bist du es, der da kommen sollte und mit dir das Gottesreich?
Oder sollen wir eines anderen warten?
Bist du es, Jesus,
oder sollen wir das Warten bleiben lassen
und uns abfinden mit allem, wie es eben ist?
Jesus antwortete und sprach zu ihnen:
Nehmt euch zu Herzen, was ihr hört und seht.
Die Botschaft der Gottesliebe wird weitergesagt.
Menschen horchen auf und ändern ihren Sinn.
Verstoßene Kinder finden jemand, der sie liebt.
Farbige Studenten bekommen ein Zimmer.
Einheimische und Flüchtlingskinder spielen zusammen.
In den Familien werden abends zusammen Gespräche geführt, die Smartphones sind ausgeschaltet.
Ehepartner blicken sich wieder in die Augen.
Der Leistungsdruck lässt nach,
Viele erkennen: genug ist genug,
der Konsum sinkt,
man kann atmen in den Innenstädten
und die Trabantenstädte werden wohnlich.
Auf dem Rasen dürfen Kinder spielen,
Ghettos gehören der Vergangenheit an.
In Altersheimen lässt sich’s leben,
Süchtige kommen los von ihren Drogen,
Depressive legen die Schlaftabletten beiseite,
Traurige lächeln,
Verhärtete können weinen,
Besserwisser hören zu,
Gleichgültige falten die Hände,
Abgeordnete vertreten die Interessen der Schwachen,
und der Gegner kommt zu Wort.
Geld wird wieder reines Tauschmittel,
Gespräche über Frieden sind ernst gemeint und haben spürbare Folgen.
Recht und Gerechtigkeit gelten mehr als Macht und Geld.
Die Menschen achten die Erde und alle Mitgeschöpfe.
Alle hören die Botschaft,
dass Jesu Art zu herrschen die ganze Welt erneuert.
Und glücklich, selig ist, wer zu Jesu Weg Ja sagen kann.
Amen.
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