Jubilate, 21.04.2024, Stadt- und Jonakirche, 2.Korinther 4, 14 - 18, Jonas Marquardt

Predigt Kaiserswerth Jubilate - 21.IV.2024                                                                                                          

              2.Korinther 4, 14-18

Liebe Gemeinde!

„Houston, wir haben ein Problem!“: Mit diesem Funkspruch wurde im April - am 13., um genau zu sein - vor 54 Jahren eine rettende Umkehr eingeleitet. Die Astronauten der Apollo 13 meldeten der NASA, dass einer von zwei Sauerstofftanks ihres Raumschiffs explodiert war. Ihnen ging also die Luft zum Atmen aus, kurz bevor die Apollo 13 in die Umlaufbahn des Mondes hätte eintreten sollte, um die 3. geplante Landung dort einzuleiten. Gebannt und fiebernd sah die damals noch sehr viel beschränktere und entferntere Weltöffentlichkeit drei Tage lange zu, ob wahrhaftig eine unvorhergesehene, unerprobte Rettung im lebensfeindlichen Weltraum gelingen könne.

Sie gelang: James Lovell, Jack Swigert und Fred Haise kehrten zurück aus der Schwärze des Universums auf die kleine, luftumflossene, lichterfüllte, lebensfreundliche Erde. …

Auf die Erde, von der wir in der Schriftlesung (Sprüche 8,22-36)[i] hörten, mit welchem Vergnügen an der Weisheit Gott sie bereitet und durchströmt hat. Der Kosmos ist mit dem Zirkel der Liebe um das Herzstück des kleinen Menschenplaneten geschlagen, und im Zentrum – da, wohin die Umkehrer vom 13. April aus dem 13. Apollo zurückfanden – … im Zentrum also ist der Ort, an dem die Weisheit - der Heilige Geist, die Heilige Begeisterung – mit ihren Lieblingen, den Menschenkindern ihr Stelldichein feiern darf.

Wenn Menschen diese Weisheit Gottes, diesen Geist der Schöpfung voller Liebe finden, dann finden sie das Leben. ——— 

„Houston, wir haben ein Problem!“: Die Suche nach der schöpferischen Weisheit Gottes, die das Leben will und schenkt und ist, … die Suche nach dem Geist, dem Sohn, dem Vater also ist uns Menschen fremd geworden.

… Dabei sagt es diese Weisheit doch selbst: „Wer mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.“ …….

„Christen, wir haben ein Problem!“

…Vermutlich ist unser Problem das Problem der ganzen Welt, und vermutlich hängt das nicht vermisste Fehlen der lebensschaffenden Gottes-Weisheit unter den Menschen mit Geist- und Weisheits-Verlusten bei uns als Kirche zusammen. —

Unser Problem lässt sich leicht zusammenfassen: Das Neue Testament ist uns alt geworden. Alt und kalt. Es scheint nicht mehr zu zünden. Es ist verstaubt. … Wann hattest Du’s zuletzt in der Hand? … Oder wann hast Du zuletzt erlebt, wie es wirklich aus den Buchdeckeln sich löst und Dir unter die Haut ging, bis in die Herzkammern, in die Lungenflügel, durch die Eingeweide bis ins Mark … und von da wieder in die Hände, den Mund und alle Lebensäußerungen drang?

Wann war das Leben des Geistes zuletzt für Dich die persönliche, unmittelbare Realität?

Wann war neben den eigenen Gedanken und der eigenen Vergesslichkeit, neben den eigenen Überzeugungen und den eigenen Zweifeln der Raum Deines Erlebens ausgefüllt durch die Botschaft, mit der Gott Sich Selbst bezeugt, und durch die Liebe Christi, die nicht ruhen kann, sondern um sich greift?

Wann waren Dein Denken und Dasein eine spontane, eine natürliche Fortsetzung oder Funktion Deines Glaubens?

Wann hat sie in Dir gelebt … die Frohe Botschaft? —

Das sind Fragen, die bei uns seltsam anmuten mögen: Aufdringlich forciert wie in einer autosuggestiven Massenevangelisation. Oder lebensfern antiquiert wie aus den Chroniken längst ausgeglühter Frömmigkeits- und Erweckungsbewegungen.

Aber obwohl wir viele solcher kühlen Schutzmechanismen besitzen, die uns wappnen gegen alles zu persönliche Auf-die-Pelle-Rücken dessen, was doch längst so schön historisch und symbolisch entschärft ist, brechen manchmal die verkorkten und eigentlich verpufften Fragen nach lebendigem Glauben und Glaubensleben auf.

Heute ganz programmatisch.

…Weil es doch „JUBILATE!“ heißt.

Und wir deshalb einfach überlegen müssen: „Freut’s uns denn noch? Löst es unsre Lahmheit manchmal in Jubel auf, dass wir hören und verkündigen, dass wir lesen und betrachten, dass wir glauben und annehmen dürfen, was das Evangelium ist?“ ——

… Tja.

Eine ganz unmittelbare Reaktion, eine direkte Begeisterung weckt eine sattsam bekannte Aussage natürlich nicht ohne Weiteres.

Die unergründlichsten Offenbarungen können zu kaltem Kaffee werden und die unerfindlichsten Wunder können wie schaler Sekt wirken, wenn ihnen der Reiz des Unerhörten abhandenkommt und man sich vor Generationen schon an ihnen sattgestaunt hat:

Dass die Welt eine Schöpfung und zugleich ein Juwel Gottes ist, haben Jahrhunderte vor uns meditiert; wir haben das „Made by God“-Siegel, das sie insgesamt und überall trägt, durch die Vergrößerung und Verkleinerung, die die Wissenschaft vornimmt, und durch die Verzweckung, die die Wirtschaft uns lehrt, dagegen aus den Augen verloren.

Dass mitten auf dieser irdisch erklärbaren und vertrauten Bühne – und zwar im allerunauffälligsten Gewand bloßer menschlicher Nacktheit – schließlich aber auch Gott selbst als gewöhnliches stoffliches Wesen und sterbliche Person Schöpfungswirklichkeit annahm, das hat die Kirche früher einmal jahrhundertelang beinah überwältigt, wenn sie im großen Glaubensbekenntnis (EG 854) die Passage aussprach „Für uns Menschen und zu unserm Heil ist Er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den heiligen Geist aus der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“

An dieser Stelle blieb Abend- und Morgenland der Mund offen stehen und man ging auf die Knie vor dem atemberaubenden Wagnis, dass der Anfangslose endlich und der Allgegenwärtige ein Embryo, … ein Kind, … ein Körper, … eine Leiche wurde.

Doch diese beiden unfassbaren Schöpfungswunder – dass unsere Welt durch Gott und dass Gott ein Stück von ihr geworden ist – … diese unfassbaren Schöpfungswunder am Anfang beider Testamente sind beide durch die menschliche Freiheit sehr anders weitergegangen, als es hätte kommen müssen.

Die Schöpfung war ursprünglich nicht eine Ökologie des Todes, sondern des Blühens und der Fruchtbarkeit und vielleicht der Brache, in der die Geschöpfe ihre Lebenskräfte neu aufladen dürfen.

… Aber durchs Allein-Machen- und Allein-Sein-Wollen des Menschen kam der Tod.

Denn das ist ja der Tod: Das Einzige, was der Mensch durch seine Unkooperativität, seine Verweigerung Gott gegenüber allein gemacht hat; seine letzte Einsamkeit. Der Tod ist in jedem Sinne buchstäblich das ursprüngliche „Alleinstellungsmerkmal“ des Menschen.

Doch es ist nun einmal nicht gut, dass der Mensch allein sei (1.Mose2,19): Im Leben nicht und auch nicht im Tod. … Darum war die zweite Schöpfung nötig, in der Gott den Menschen nicht allein ließ: Diese Schöpfung in der Jungfrau Maria, bei der Gott zwar allein in einer menschlichen Mutter Fleisch annahm, und die um den Preis geschah, dass Er dadurch ja auch in Kauf nahm, einmal ganz allein ein Grab im Schoß der Mutter Erde zu finden; … allein, wie wir alle, … die demnach aber eben nicht mehr allein sein werden in unserer Todeseinsamkeit!!! …….

Dass uns das beides – die Schöpfung, in der wir den Tod bedeuten und in der Gott den Tod deshalb selbst übernahm, damit sie nicht uns, sondern Ihm überlassen bliebe –…, dass uns das beides nicht wirklich von den Füßen auf die Knie vor Dankbarkeit oder in den Hochsprung losgelassenen Jubels bringt, dass es uns nicht mitreißt und stürmisch beschwingt, ist schon elend genug. …

Aber dass eine Gemeinde, die weiß, was dann noch geschah, nicht unendlich zuversichtlich und weltfroh und lebensfreudig, voller Liebe zum Sterblichen und voller Neugier aufs Unsterbliche ein Ausgangs- und Anknüpfungspunkt von Lebenswegen und Lebensbewegungen der Umkehr, des Schutzes, der Stärkung, der Hoffnung ist … das wäre nicht zu erklären.

Dass eine Gemeinde, die die dritte Schöpfungsgeschichte kennt – nicht die von Eden und auch nicht die von Bethlehem, sondern die aus dem Jerusalemer Grab im Garten – … dass eine Gemeinde, die den österlichen Neuanfang kennt, nicht ununterdrückbar lebensbejahend und lebensgewiss sein sollte, das wäre schlicht erbärmlich!

Doch heute – wenn es auch Anlauf braucht und etwas Abschütteln des Staubes und etwas Lockern der rostigen Seelen – heute ist nun Jubilate: Der Tag, an dem wir feiern, dass Gott durch die Auferweckung Jesu von den Toten die neue Kreatur begonnen hat (vgl. 2.Kor.5,17).

Und so ist Jubilate denn wahrhaftig doch ein Tag, an dem uns genug Geist und Kraft erfüllen wollen, um die Probleme Houstons, die Probleme dieser Erde, der die Luft und Zeit ausgehen, im Licht des Lebens als lösbar, … ja: als gelöst zu erkennen. Denn das Jubilate-Licht ist das Licht der rettenden Neuschöpfung, die aus der Ökologie des Todes eine Natur macht, in der den alten Erstickungs-Drohungen kein Gewicht mehr zukommt.

Dafür muss selbstverständlich umgesteuert werden in Richtung Leben.

Doch ebenso selbstverständlich kann aus österlicher Erfahrung eben auch umgesteuert werden in die Lebensrichtung: Denn wenn Gott es geschafft hat, alles was Er geschaffen hat, unter den Bedingungen des Todes dennoch zu neuem Leben zu erwecken, dann ist nach Weltschöpfung und Menschwerdung das dritte und nunmehr endgültige Wunder der Kreativität zu feiern: Dass alles in Lebendigmachung auf- und übergehen wird!!!

Es lohnt, sich das für einen Augenblick auf der Zunge zergehen zu lassen: ALLES, was jetzt sichtbar und spürbar eigentlich Züge der Zerstörung und des Untergangs aufweist, wird doch in die Auferstehung und Lebendigkeit einbezogen werden, die Quelle und zu-gleich Gipfel des Evangeliums sind. …….. Des Evangeliums, das uns aus Gewöhnung so kalt lässt und so alt vorkommt, obwohl es doch das Wort ist, aus dem unsere ermüdete, zynische und untätige Zeit einen elektrisierenden und stärkenden Strom der Hoffnung neuen und unvergänglichen Lebens empfangen könnte.

Deshalb müssen wir seine Kraft wieder selber als die beflügelnde und befreiende Neuigkeit erfassen, die es tatsächlich ist. Wenn die Menschheit wirklich so versessen und so besessen am Zu-ende-Gehenden klebt, dass sie weder Kleines noch Großes mehr ändern zu wollen scheint, dann ist die ganz große christliche Gewissheit der neuen Kreatur bis in kleinste Umstellungen hinein fruchtbar zu machen.

Wir müssen zeigen, dass die neue Wirklichkeit, die uns sicherer ist als die bisherige, uns tatsächlich auch verwandelt.

Wir werden also zeigen wollen und zu zeigen haben, dass wir die Furcht vor Verzicht, die Sorge vorm Zu-kurz-Kommen, die Trägheit beim Zurückstecken, die Freiheit zum Weniger, ja, die Notwendigkeit des Weniger und die neue Normalität des Weniger nicht fürchten.

Wir als Menschen des Evangeliums können die entsetzliche Tatenlosigkeit und die verwerfliche Gedankenlosigkeit einer Zivilisation, die nur das gerade noch Vorhandene festhalten und keine Umstellung zulassen will, nicht teilen.

Wir haben nichts zu fürchten.

Nichts zu verlieren, das nicht erneuert viel beständiger sein wird.

Wir haben nichts zu beschlagnahmen, weil alles von und für Gott ist.

Wir haben keine Teilung zu verhindern, denn Gott schenkt Vermehrung.

Uns hält keine Abhängigkeit, denn uns ist die Befreiung verkündet.

Wir müssen dem Endlichen nicht verfallen, denn es gibt Unendliches.

Wir sind also nicht einfach zum Immer-Weiter-So verdammt, sondern berufen zu einem ganz anderen, zum ungeahnten und unverlierbaren Leben.

Diese Botschaft ist ökologisch und politisch, sie ist geistlich und leiblich die neue Wahrheit, die mit Ostern angebrochen ist.

Wir können sie der Welt und der Schöpfung, wir können sie unseren Zeitgenossen und unseren eigenen Herzen in der ganzen Frische und Angstfreiheit, in dem Mut und mit dem Elan des Paulus zurufen, der das völlig uneingeschränkte und solidarische, das universale und seligmachende Lebensgefühl eines Menschen, der in österlichem Jubel zu leben lernt, den Korinthern in ansteckender und mitreißender Weise mitgeteilt hat.

„Houston – wo ist das Problem?

… Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. 

Denn es geschieht alles um euretwillen, auf dass die Gnade durch viele wachse und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes. 

Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 

Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.

Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich;

was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

 JUBILATE!“

Amen.

 

 

 

[i] Diese heutige Schriftlesung macht wie die weiteren für Jubilate vorgesehenen Lesungs- und Predigttexte (u.a. 1.Mose 1 und Apostelgeschichte 17, 22-34) deutlich, wie sehr das Verhältnis von Schöpfung und Neuschöpfung in österlicher Perspektive das Motiv dieses Sonntags ist: Ein Motiv, das in die ökologischen Zentralfragen unserer Gegenwart ein überaus starkes biblisches Gewicht bringt. Kein Auferstehungsleben ohne das Gesamt des Kosmos: Diese theologische Aussage stellt ein Bindeglied in die reichen Traditionen der ostkirchlichen Spiritualität dar, in denen die Natur ganz im Kraftfeld des Heiligen Geistes betrachtet und als Miterlöste der Menschheit gefeiert wird.

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