15.S.n.Tr., 28.09.2025, Matth. 6,15-34, Tersteegenkirche, Horst Gieseler
Herr, wir sind versammelt, Dein Wort zu hören. Wir bitten Dich um der Liebe Christi willen: verleihe uns Deinen Heiligen Geist, dass wir Deine Wahrheit erkennen. Was immer wir planen, wo immer wir vorsorgen und uns viele Sorgen machen: Es muss einen Platz für Dich geben. Ein Ort des Nachdenkens, des Nachsinnens, an dem ich tief Luft hole und zu mir und Gott sage: Das und das will ich, mein Gott; aber ich lege es auch in deine Hände. Dir vertraue ich mich an. Mit allem. Amen.
Liebe Gemeinde,
zu Beginn möchte ich Ihnen zunächst von einem Schweizer Pfarrerssohn erzählen und dann vom Gottessohn Jesus. Beide trennt viel. Wichtiges haben sie aber auch gemeinsam. Beide waren lebensfroh und nachdenklich. Beide dachten über die Sorge nach und über das Vertrauen.
Der Schweizer Pfarrerssohn heißt Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) und war ein berühmter Schriftsteller und Verfasser von Theaterstücken. Dass er Pfarrerssohn war, klingt manchmal an, wenn man etwas von ihm liest oder hört. Er redet selten von Gott, und wenn, kann das heftig sein. In einem Theaterstück geht es um Gerechtigkeit und ob Menschen oder Gott wirklich gerecht sein können (Der Besuch der alten Dame, von 1956). In einem anderen Stück (Die Physiker, von 1962) geht es darum, ob der Menschheit eigentlich noch zu helfen ist; und wenn ja, wie. Sehr aktuell, denke ich!
Einmal schreibt Dürrenmatt, der zeitlebens krank war und an Diabetes litt, in einer Nachbemerkung zum Theaterstück „Die Physiker“ den Satz: Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.
Da horcht man auf, wenn man das liest: Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen. Planen ist gut; Vorsorge auch. Das würde Dürrenmatt nie bestreiten. Planen und Vorsorgen verhindern aber nicht, dass alles ganz anders kommt. Auf einmal tritt etwas ein, was die Pläne zunichtemacht. Dürrenmatt nennt es Zufall.
Und dann, liebe Gemeinde? Sind Menschen dann noch in der Lage, umzudenken und neu zu planen? Oder fallen sie traurig in ihre Sessel und denken: Hat doch alles keinen Sinn?
Der Gottessohn Jesus redete nie vom Zufall. Viele andere auch nicht. An Zufälle zu glauben wäre ihnen zu banal.
Jesus sprach auch vom Sorgen und Planen, von der Vorsorge für dies und das. Einmal steht oder sitzt er im Gras auf einem Berg, um ihn herum vielleicht hundert oder ein paar mehr Menschen. Jesus nutzt die Gelegenheit und erzählt etwas vom Leben und von Gott. Er erzählt offenbar so, dass die Menschen um ihn – Frauen, Männer, Kinder und seine Jünger – gar nicht genug Worte von ihm bekommen können. Wir kennen die Worte heute als „Bergpredigt“, zusammengefasst vom Evangelisten Matthäus. Jesus preist erst die Menschen selig (ab 5,1), die sonst keiner für selig hält, zum Beispiel die Leid Tragenden. Etwas später, als Jesus richtig ins Reden vom Glauben gekommen ist, folgen Worte, die einen mitten ins Herz treffen:
Der Predigttext steht bei Matthäus 6, 25-34. Wir hören ihn in der Übersetzung der Guten Nachricht von Patricia Simon:
(25) Darum sage ich euch: Macht euch keine Sorgen um euer Leben, ob ihr etwas zu essen oder zu trinken habt, und um euren Leib, ob ihr etwas anzuziehen habt! Das Leben ist mehr als Essen und Trinken, und der Leib ist mehr als die Kleidung! (26) Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte – aber euer Vater im Himmel sorgt für sie. Und ihr seid ihm doch viel mehr wert als Vögel! (27) Wer von euch kann durch Sorgen sein Leben auch nur um einen Tag verlängern? (28) Und warum macht ihr euch Sorgen um das, was ihr anziehen sollt? Seht, wie die Blumen auf den Feldern wachsen! Sie arbeiten nicht und machen sich keine Kleider, (29) doch ich sage euch: Nicht einmal Salomo bei all seinem Reichtum war so prächtig gekleidet wie irgendeine von ihnen. (30) Wenn Gott sogar die Feldblumen so ausstattet, die heute blühen und morgen verbrannt werden, wird er sich dann nicht erst recht um euch kümmern? Habt ihr so wenig Vertrauen? (31) Also macht euch keine Sorgen! Fragt nicht: 'Was sollen wir essen?' 'Was sollen wir trinken?' 'Was sollen wir anziehen?' (32) Mit all dem plagen sich Menschen, die Gott nicht kennen. Euer Vater im Himmel weiß, dass ihr all das braucht. (33) Sorgt euch zuerst darum, dass ihr euch seiner Herrschaft unterstellt, und tut, was er verlangt, dann wird er euch schon mit all dem anderen versorgen. (34) Quält euch also nicht mit Gedanken an morgen; der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last hat.« Amen.
Da stockt einem etwas der Atem, nicht wahr, liebe Gemeinde? Viele von Ihnen kennen die Worte, vor allem deswegen, weil sie eigentlich unmöglich zu leben sind. Wer kann das? Unmögliches oder gar Unverschämtes merkt man sich eben länger. Zumutungen klingen lauter im Ohr. Und diese Worte sind eine Zumutung. Was machen wir damit?
Erst einmal „machen“ wir gar nichts. Jesus erwartet nicht, dass wir etwas machen, sondern dass wir zuhören. Dass wir also nicht sofort denken: „Kenn ich …“ oder: „Ist alt, was Jesus da sagt; und überholt ist es auch!“ Erst einmal machen wir nichts, sondern versuchen genau zu hören, was Jesus meint.
Jesus, liebe Gemeinde, wünscht sich keine Macher und Macherinnen, sondern Hörer und Hörerinnen. Zuhören ist schwer. Zuhören ist anstrengend. Das liegt am Vielerlei, mit dem Menschen sich befassen. Man will auf seinen Weg achten, dabei essen und noch eine WhatsApp senden, oft gleichzeitig. Man muss den Haushalt besorgen, eine E-Mail verschicken und den Abend planen. Das sind drei Dinge. Anderen gelingen vier oder fünf Dinge gleichzeitig, angeblich. Man läuft für seine Gesundheit, hört Musik, telefoniert, grüßt jemanden, während man dabei noch eine Idee fürs Wochenende entwickelt.
Das Ich ist voller Ich. „Ich muss … Ich mache … Ich will …“ Alles sofort und unbedingt. Ob mein Himmel aber mit Ich anfängt, bezweifle ich, wenn ich Jesus höre. Und denke gleich noch an Dürrenmatt, der schreibt: Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen. Vorsicht also bei dem vielen Machen. Hören ist auch eine Tätigkeit. Dabei gewinnt man etwas ganz Wertvolles.
Wer zuhört, gewinnt etwas, was unbezahlbar ist und lebenswichtig: Abstand zu sich. Das größte Geschenk, das Gott macht: Abstand. Das vielerlei zur Seite legen. Sogar eigene Sorgen. Zuhören verändert. Mal ein bisschen, mal von Grund auf. Es macht mein Ich leichter, auf andere zu hören, liebe Gemeinde.
Denn Zuhören ist nicht noch eine Last, sondern das Ende meiner Last mit meinem Vielerlei.
Ich werde einfach bescheidener, wenn ich auf Jesus höre. Was sind das für unfassbare Jesussätze, mal ehrlich, liebe Gemeinde. Wenn wir sie nur hören in ihrer Schönheit und leisen Wucht:
Sorgt nicht um euer Leben … Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht … und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr (wert) als sie? ... Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Wenn Gott (aber) das Gras auf dem Feld so kleidet: Sollte er das nicht viel mehr (auch) für euch tun, ihr Kleingläubigen?
Gibt es in unserem immer größeren Vielerlei schönere Worte als diese? Wertvollere? Ich denke nicht. Die Worte des Gottessohnes machen bescheiden, fast demütig. Selbst wenn wir nie schaffen, worum uns Jesus hier bittet. Es geht auch nicht ums Schaffen und Machen, es geht ums Hören. Denn wer hier zuhört und über Jesu Worte nachsinnt, dabei vielleicht seine Hände mit dem Gras spielen lässt oder Erde fühlt und ein paar Vögeln am Himmel zusieht, fühlt sofort Gottes Geschenk: Abstand zu mir. Zu meinen Sorgen.
Seht die Vögel unter dem Himmel an … Wer hier ganz Ohr wird, fragt sich sofort: Und ich? Wie lebe ich? Warum lebe ich so? Warum vertraue ich nicht? Ihm, dem Heiland? Warum plane ich so sehr und so viel für mich, die Kinder, die Enkel – und dann kommt vieles doch anders? Oder die anderen, für die ich plane und vorsorge, wollen alles lieber ganz anders machen?
Liebe Gemeinde heute Morgen, wenn Jesus spricht wie hier am Berg, sollen wir nicht aufstehen und unser Leben über den Haufen werfen. Hören sollen wir, aufmerksam zuhören. Ganz Ohr sein.
Ganz Ohr zu sein, macht bescheiden, manchmal demütig. Wenn Dürrenmatt oder Jesus mir etwas sagen, halten sie mir ihre Welt hin. Jesus erzählt von seiner Welt und hofft, dass wir ganz Ohr sind. Dabei auf Lilien und Vögel sehen und fragen: Muss ich so leben, wie ich lebe? Alle diese Sorgen? Das wachsende Vielerlei? Ist der Himmel über mir nicht mehr Vertrauen wert? Zuhören ist keine neue Last, sondern der Beginn einer Entlastung. Auf Jesus zu hören, heißt: Meine Sorgen verlieren etwas an Gewicht. Wegen der Lilien und der Vögel. Und: Weil Nachdenken über sich selbst sehr schön sein kann, wenn man in den ersten paar Minuten nicht gleich wieder aufspringt, weil einem eine neue Sorge einfällt und wie man die wegplanen könnte mit viel Vorsorge.
Kann man auch nicht. Man kann gegen Sorgen nicht vorsorgen oder sie wegplanen. Man kann nur etwas Abstand bringen zwischen sich, seiner besorgten Seele und den Sorgen. Dafür muss man ein wenig zur Seite treten. Und wie macht man das?
Durch Stille und Nachdenken, liebe Gemeinde.
Hier treffen sich der Pfarrerssohn Friedrich Dürrenmatt aus der Schweiz und der Gottessohn Jesus aus Nazareth. Sie möchten, dass wir nachdenklich leben. Sie möchten, dass wir ins Grübeln kommen – im guten Sinne des Wortes. Vor lauter Planen und Vorsorgen und Sorgen vergessen oder übersehen Menschen oft, was sie wirklich nötig haben und brauchen. Das gerät einfach aus dem Blick. Vor lauter Wünschen und Planen und Sorgen und Vorsorgen übersehen Menschen, dass es noch eine Welt neben und über ihrer Welt gibt. Jesus nennt sie das „Reich Gottes“, wir können auch Himmel sagen oder Gottes Welt.
Wie auch immer. Dürrenmatt hat recht, wenn er schreibt: Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.
Jesus würde ihm recht geben, nur nicht von Zufall sprechen. Er sagt: Sorge dich weniger um dich als um das Reich Gottes, dann wird vieles besser und manches gut. Das ist mutig, fast kühn gesagt. Anders gesagt: Bring immer ein wenig Abstand zwischen dich und deine Sorgen. Setz dich, wenn du dir große Sorgen machst, einfach hin und atme tief durch; denke genau nach, sinne über alles nach – dann bringst du Abstand und frische Luft in dein Leben. Dieser kleine Abstand nämlich, diese frische Luft ist genau der Ort, den Gott dann einnimmt. Du schaffst also Platz für ihn. Das Wichtigste im Leben überhaupt – ein wenig Platz schaffen für Gott. Und dann?
Dann habe ich mehr Ruhe, liebe Gemeinde. Habe Gott in meiner Nähe. Besser geht’s nicht. In seiner Nähe ahne ich, dass ich nicht alles machen, planen, vorsorgen kann. Ich kann es einfach nicht. Auch wenn ich noch so planmäßig vorgehe. Das darf ich und das soll ich. Ich soll aber nicht meinen, damit wäre alles getan. Ist es nicht. Getan ist alles, wenn ich am Ende meiner Planungen und Vorsorgen und Sorgen ruhig auf meinem Stuhl sitzen kann und weiß: Es kann anders kommen. Gott kann anders denken für mich. Und vielleicht hat er mehr recht und sieht weiter und weiß es besser als ich.
Was immer wir planen, liebe Gemeinde, wo immer wir vorsorgen und uns viele Sorgen machen: Es muss einen Platz für Gott geben. Ein Ort des Nachdenkens, des Nachsinnens, an dem ich tief Luft hole und zu mir und Gott sage: Das und das will ich, mein Gott; aber ich lege es auch in deine Hände. Dir vertraue ich mich an. Mit allem. Das ist dann kein Zufall! Amen.
Und der Friede Gottes, der ausgeht von dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz, höher denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Glauben und Hoffnung und Liebe. Amen.
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Psalm 116,8
Eine Frau hatte den Blutfluss seit zwölf Jahren, die hatte alles, was sie zum Leben hatte, für die Ärzte aufgewandt und konnte von niemandem geheilt werden. Die trat von hinten heran und berührte den Saum seines Gewandes, und sogleich hörte ihr Blutfluss auf.
Lukas 8,43-44