10.S.n.Tr., Israelsonntag, 24.08.2025, Mk 12,28-34, Mutterhauskirche, Ute Griessl

Liebe Gemeinde! 

Wir haben den Predigttext bereits in der Lesung gehört.
Er handelt von der Liebe.
Die Liebe, die in unser aller Leben eine entscheidende Rolle spielt.
Die Liebe, ohne die kein Mensch leben kann.

Der so bekannte Text hat mir eine überraschende Erkenntnis gebracht, über die ich recht glücklich bin. 

Unserem Text gehen mehrere Streitgespräche voraus, die Jesus mit Schriftgelehrten geführt hat. Ein Schriftgelehrter hat besonders aufmerksam zugehört.
Er ist beeindruckt von Jesus, von seinen tiefgründigen Antworten, die weiterführen.
Jesus zeigt eine Weisheit, die ihn fasziniert.
So stellt der Schriftgelehrte Jesus selbst eine Frage.
Es ist keine hinterlistige Fangfrage, sondern er ist an Jesus und seiner Antwort aufrichtig interessiert.
„Welches Gebot ist das erste von allen?“ 

 

Die Frage nach der Essenz der vielen Gebote ist berechtigt. Sie führt ins Zentrum der 613 Gebote, die alle Aspekte des Lebens umfassen.
Sind sie alle gleich wichtig? Was ist das Wichtigste? Was ist das Wesentliche?

Wenn ich das weiß, dann finde ich Orientierung.
Dann kann ich priorisieren, Entscheidungen treffen und handeln. Dann kann ich meinen Weg im Vertrauen gehen.

„Welches Gebot ist das erste von allen?“ Mit dieser Frage beginnt ein Gespräch auf Augenhöhe, geführt von zwei gebildeten Juden, die sich in der hebräischen Bibel auskennen.  

Jesus antwortet dem Schriftgelehrten: Das erste ist: »Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft!« 

Mit diesem Zitat aus dem 5. Buch Mose stellt sich Jesus in die Tradition seines Volkes. Er greift das älteste Bekenntnis seines Volkes auf: Es beginnt mit „Höre Israel, „Sch(e)ma Jisrael“.

In diesem ältesten Bekenntnis geht es um Gottes Liebe zu seinem Volk und um Gottes Geschichte mit Israel.
Gott stellt sich seinem Volk vor,

er beginnt mit dem Gespräch, er beginnt mit der Liebe.

Gott wählt Israel und schließt einen Bund. Gott zeigt seine Liebe in der Befreiung des Volkes aus der Knechtschaft in Ägypten.
Gott bleibt bei seiner Liebe, auch in Zeiten, in denen sich sein Volk abgewendet hat.
Gott kann oder will nicht anders.

Gottes Liebe steckt auch in dem Gebot, das Jesus zitiert.
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft!“ 

Für Jesus besteht das zentrale, das wichtigste Gebot darin, Gottes große unverbrüchliche Liebe zu erwidern.
Die Antwort auf Gottes Liebe umfasst alle Facetten menschlichen Seins.
Die Antwort umfasst unser ganzes Leben.

Jesus fährt fort: ‚Das zweite ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!«.
Grösser als diese ist kein anderes Gebot.‘

Hier zitiert Jesus eine Stelle aus dem 3. Buch Mose.
Gott spricht mit Mose über das Leben in einer Gemeinschaft.  
Da heißt es „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“
Hier geht es um das aufrichtige und faire Handeln und Behandeln: Du sollst deinen Nächsten nicht übervorteilen. Du sollst deinen Nächsten nicht ausnutzen und dich bereichern.
Mit welchem Maß soll ich meinen Nächsten lieben?
So wie ich mich liebe, nicht weniger, nicht mehr, –
das ist das Maß im Umgang mit dem Nächsten.

Der jüdische Philosoph Martin Buber übersetzt: 
Liebe deinen Nächsten, (denn) er ist wie du.
Ich ergänze: Der andere ist auch Gottes Geschöpf. Und so will ich ihn behandeln.
Die andere ist auch Gottes Geschöpf, und so will ich sie behandeln.

Jesus schließt: „Größer als diese ist kein anderes Gebot“. Jesus bekennt sich zur Tradition seines Volkes und führt sie weiter.
Jesus entwickelt sie, in dem er zwei Gebote zu einem macht.
Die Liebe zu Gott und zum Nächsten gehören zusammen. – Das ist neu!
Jesus betont damit: Die Essenz ist die Liebe. Was für eine radikale Essenz! Jesus hat sie in Wort und Tat vorgelebt.

Der Schriftgelehrte ist beeindruckt und sagt zu Jesus:
„Du hast die Wahrheit gesagt, denn Gott ist einer, und es ist kein anderer außer ihm; und ihn zu lieben aus ganzem Herzen und mit ganzem Verstand, aus ganzer Seele und aus ganzer Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist viel mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.“ 
Der Schriftgelehrte gibt Jesus recht.
Er fügt hinzu, dass die Liebe wichtiger ist als alle Opfer, die im Tempel erbracht werden.
Die innere Haltung, die Liebe ist wichtiger als der Kultus, die Riten.

Jesus nimmt seine Antwort an.
Er sagt zum Schriftgelehrten: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Ich verstehe es als Ermutigung:
Ja, bleib dran! Mach weiter! Du bist nah am Wesen Gottes, an seinem Reich, an der Liebe.
Damit ist alles gesagt. Schweigen.
„Und es wagte niemand mehr, ihn zu befragen.“

Soweit der Bibeltext.

Bei der Vorbereitung für diesen Gottesdienst ist mir bewusst geworden: Es ist Israelsonntag und wie sehr wir als Christen mit dem jüdischen Volk zusammengehören.
In Israels Geschichte liegen die Wurzeln unseres Glaubens.

Durch den Juden Jesus sind und bleiben wir mit dem jüdischen Volk verbunden.
Durch den Juden Jesus glauben wir an den Gott der Liebe.
Durch den Juden Jesus dürfen wir zu dem Bund gehören, den Gott mit allen Menschen schließt.
Durch den Juden Jesus gilt das doppelte Liebesgebot auch für uns Christen.

Soweit die Geschichte.
Wie geht das nun heute praktisch, das Liebesgebot zu leben?
Lange Zeit bin ich davon ausgegangen: Ich liebe Gott, wenn und indem ich meinen Nächsten liebe.
Ich lebe meinen Glauben, wenn und indem ich mich für die Schwesternschaft oder für diakonische Projekte engagiere.
Ich weise mit meinem Engagement indirekt auf Gott hin und gebe ihm die Ehre.

Eine Überraschung ist für mich die Erkenntnis/die Einsicht:
Die Liebe zu Gott ist mehr.
Mehr als „nur“ die Liebe zum Nächsten.
Die Liebe zu Gott zeigt sich in der Nächstenliebe, ja.
Aber die Liebe zur Nächsten ersetzt nicht die Liebe zu Gott.

Gott will selbst mit uns in Beziehung sein. Er will den Dialog mit uns.
Gott will uns hören und uns etwas sagen. Er will die Priorität sein.
Wir antworten auf seine Liebe, so gut wir können.

Wir lieben Gott, indem wir „Ja“ sagen zu ihm, dankbar, verbindlich und treu.
Wir lieben Gott, indem wir ihn loben, ihm Loblieder singen.
Wir lieben Gott, wenn wir ihn hören, ihn ernst nehmen und auf ihn hören.
Wir lieben Gott, wenn wir im Gespräch mit ihm sind, bitten und danken, und aus dem, was er sagt unser Handeln ableiten.
Wir lieben Gott, wenn wir ihm folgen.

Jesus möchte, dass wir Gott lieben - mit all unseren Fähigkeiten.
Jesus spricht sinngemäß von Herz und Seele, Verstand und Kraft.
An diesen vier Fähigkeiten möchte ich einmal entlang gehen.

 

  1. Wir sollen Gott lieben aus ganzem Herzen:
    Im Herzen sitzen alle meine Emotionen und mein Wollen.

    Wir können uns selbst befragen:
    Was sagt mein Herz?
    Welches Gefühl meldet sich bei mir?
    Wie sieht meine Motivation aus?
    Wie äußert sich mein Wollen?

Ich darf Gott mit allen meinen Emotionen lieben, sie ihm erzählen.
Ich kann ihm auch meine Emotionen überlassen, wenn ich überflutet werde oder Abstand benötige.
Und ich kann meine Gefühle einbringen in meine Arbeit.
Ich nenne ein Stichwort: Pflege mit Herz. Ich bin mit dem Herzen bei den Kranken, bei den Alten oder Hilfsbedürftigen. Ich nehme mit dem Herzen wahr, wie es ihnen geht…

Ich darf Gott auch wissen lassen, wie stark mein Wollen ist. An manchen Tagen bin ich voller Motivation und lege los, an anderen Tagen darf ich ihn um Stärkung bitten.

  1. Wir sollen Gott lieben aus ganzer Seele:
    In der Seele sitzt der Kern meiner Person, meines Wesens.

Nun können wir uns die Frage stellen:
Was empfindet meine Seele?
Wie geht es ihr?
Wo und wie bin ich in meinem Wesenskern mit Gott verbunden?
Durch Gottes Atem sind wir eine lebendige Seele, so die Schöpfungsgeschichte.
Welch ein Geschenk ist allein unser Atem!

Ich erlebe es als ein Wunder, wenn Gott meine Seele berührt.
Ich erlebe es auch als Wunder, einem anderen Menschen von Seele zu Seele zu begegnen.

  1. Gott lieben mit meinem ganzen Verstand:
    Hier sind meine Gehirnzellen gemeint, mein Denkvermögen, Logik und Klugheit, meine Bildung, Intelligenz und Urteilskraft.

Auch das ist eine Entdeckung für mich: Glauben und Denken ist kein Gegensatz, vielmehr soll und darf ich Gott lieben auch mit meinem Kopf!
Er hat uns mit dem Verstand ausgestattet. Er will, dass wir ihn nutzen!

Gott will, dass wir ihn nach seinen Gedanken fragen.
Er will, dass wir ihm unsere Ideen, Erkenntnisse und Fragen mitteilen.

Hier befragen wir unseren Verstand:
Woran arbeitet mein Geist gerade? Was interessiert ihn?
Mit welchem Thema setze ich mich auseinander? 
Was will mein Verstand lernen?
Wie geht meine Entwicklung weiter?

Was sagt unser Verstand zur Entwicklung der Schwesternschaft, der Kirchengemeinde und der Kaiserswerther Diakonie? 

Wir sollen uns mit Hirn engagieren,
mit unseren Ideen, Gedanken, Konzepten und Fürbitten.
Ich bin sicher, Gott wartet darauf.

 

Schließlich 4. und letztens: Gott lieben mit ganzer Kraft:
Hier geht es um die Tatkraft, die Energie, mein Handeln, meine Praxis. Hier fließt meine Liebe ins Tun!

Da lauten die zentralen Fragen für uns:
Gott, was ist meine Aufgabe?
Was willst du, dass ich tun soll?
Es ist soviel zu tun, hier in Kaiserswerth, in unserer Stadt und in der Welt.
Was ist das Wesentliche, mit dem ich beginne?
Alleine und Gemeinsam.

Die Liebe zu Gott zeigt sich auch und gerade in dem,
was wir tun.
Die Liebe zu Gott zeigt sich, indem wir ihm helfen.
Wir dürfen ihm helfen bei dem, was er vorhat.
Wir dürfen unsere Tatkraft einsetzen, um Gottes Reich der Liebe und des Friedens weiter zu bauen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der allen Verstand überragt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.

 

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Fürbitten am Israelsonntag, 24. August 2025


Beim Fürbittengebet bitten wir Sie, nach den einzelnen Bitten einzustimmen: „HERR, ERBARME DICH!“

Barmherziger Gott, wir danken dir für deine Liebe, von der wir leben. Wir möchten deine Liebe beantworten. Wir bitten dich: Zeige uns Wege, wie wir unsere Liebe zu dir ausdrücken können.  Hilf uns, den Nächsten zu lieben, denn er ist genauso dein Kind wie wir.
Lass unsere Liebe gedeihen und reifen.

G:    Herr, erbarme dich.

 

Lebendiger Gott, wir bitten dich für uns diakonisch Engagierte, dass wir zwischen Nächstenliebe und Gottesliebe die richtige Balance finden. Gib den Gestressten und Ausgebrannten die Gewissheit, dass sie nicht allein sind. Lege deinen Segen auf unser Tun und unser Beten, dass beides Frucht bringe.

Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

Wir bitten dich für dein Volk Israel:

Gewähre ihm Frieden. Lass Juden überall auf der Welt in Ruhe und Sicherheit wohnen. Gib uns Mut, dem Judenhass im Alltag entgegenzutreten. Wehre dem Antisemitismus unter den Völkern.

Wir bitten dich: Bringe Bewegung in die verhärteten Fronten des Nahostkonflikts. Beende das Leid unzähliger Menschen im Gaza Streifen.
Hilf, faire Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können. Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

Du, Gott Israels und der Kirche, du bist ein lebendiger Gott. Vergib (uns) alle Überheblichkeit. Wir bitten dich, lass uns einander so respektieren, annehmen und ehren, wie wir geworden sind. Hilf uns, gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit einzustehen. Lass uns zum Segen füreinander und für andere werden.
Wir rufen zu dir:

G: Herr, erbarme dich.

 

Wir beten für die Flüchtlinge, insbesondere im Nahen Osten, die Tod und Elend entgehen wollen.

Wir bitten dich, öffne ihnen Türen und Herzen, lass sie Aufnahme und ein Leben ohne Angst finden.
Wir bitten dich für die israelischen Geiseln und ihre Familien. Heile die traumatisierten Menschen. Lass alle Verschleppten und Entführten Freiheit finden.

Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

Ewiger Gott, wir bitten dich für unsere Verstorbenen. Lass sie in deiner Liebe geborgen sein und schenke ihnen deinen Frieden.
Wir bitten dich für alle, die um sie trauern. Sei ihnen nahe mit deinem Trost, hilf ihnen, weiterzuleben im Vertrauen auf dich. Lass sie Menschen finden, die sie verstehen und begleiten.

Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

Lebendiger Gott, wir bitten dich für die Menschen, die in unserer Gemeinde getauft worden sind, schütze und segne sie auf ihrem Weg ins Leben. Lass sie in den Paten und in der Gemeinde Ansprechpartner finden, mit denen sie über ihren Glauben sprechen können.

Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

Lebendiger Gott, wir bitten dich für das Paar, das in unserer Gemeinde getraut wurde. Hilf ihnen, ihren Weg unter deinem Segen zu gehen. Lass sie immer wieder aufeinander zugehen, wenn sie sich entfernt haben.

Wir rufen zu dir:

G:    Herr, erbarme dich.

 

(Dr. Katrin Stückrath und Ute Grießl)

 

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