6.S.n.Tr., 27.07.2025, 1. Petrus 2,2-10, Stadtkirche, Dr. Johannes Grashof
Liebe Gemeinde!
„Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein; hinter mir und vor mir gilt es nicht – ich komme!“ – Vielleicht kennen Sie ja diesen Kindervers. Vielleicht haben Sie selbst als Kind Verstecken gespielt, haben mit dem Gesicht zu einer Wand gestanden und laut gezählt, während Ihre Mitspielenden davonrannten und in der Umgebung ein gutes Versteck für sich suchten.
Zu Ende gezählt haben Sie dann den Ecksteinspruch gerufen, sich umgedreht und mit der Suche nach ihren Spielgefährtinnen und Spielgefährten begonnen. Und wenn Sie welche erspäht hatten, waren Sie zurückgelaufen zum Eckstein, an dem Sie gezählt hatten, haben mit der flachen Hand dagegen geschlagen und die Namen der Entdeckten gerufen. Vielleicht waren aber auch die Gefundenen schneller gelaufen, hatte mit ihrer Hand gegen den Eckstein geschlagen und „frei“ gerufen. Oder andere Kinder hatten ihre Chance ergriffen, während Sie suchend durch das Spielgelände gestreift sind, haben unbemerkt die Strecke von ihrem Versteck zum Eckstein zurückgelegt und sich dort freigeschlagen.
Wenn keine mehr in ihrem Versteck saßen, gab es eine neue Runde und jemand von den Gefundenen musste suchen. Wer sich am Eckstein freischlagen konnte, brauchte nicht zu suchen.
Wie es der Eckstein von der Baustelle in den Reimvers eines beliebten Kinderspiels geschafft hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht ist dies ja auf dem Umweg über die Bibel geschehen. Über viele Generationen hinweg war sie schließlich sprachprägend – auch in der Kindererziehung. Und einen Ansatzpunkt bietet unser heutiger Lesungstext aus dem 1. Petrusbrief. Gleich zweimal erwähnt Petrus darin den Eckstein explizit, drei weitere Male wird er mit anderen Begriffen umschrieben.
Als Gottesdienst-Profis wissen Sie natürlich sofort, wen Petrus damit meint: keinen anderen als unseren Herrn und Retter Jesus Christus. Wahrscheinlich fällt ihnen dabei sogar ein, dass Jesus selbst zu seinen Zuhörern vom Eckstein sprach – als Metapher für seine eigene Person. Und beide, Petrus wie vor ihm schon Jesus, zitieren dabei denselben Text aus der hebräischen Bibel. Oder, um es genauer zu sagen: eine Passage aus dem 118. Psalm. Da heißt es: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.“ (Ps. 118,22-23.)
Offenbar geht es in diesem Psalm um ein Stück Baumaterial, dass die Baufachleute zunächst als ungeeignet aussortiert haben, das aber letztlich sogar die tragende Funktion schlechthin erhält: als Eckstein oder Grundstein des ganzen Bauwerks.
Der 118. Psalm ist ein überschwängliches Danklied. Es preist Gottes dafür, dass er in seinem Tun an uns Menschen offenbar für jede Überraschung gut ist und sogar eine aussichtslose Lage in einen vollkommenen Triumph wendet.
Diesen Text hielt bereits Jesus denjenigen Schriftgelehrten seines Volkes entgegen, die ihm mit Ablehnung begegneten: Seid euch nicht so sicher mit eurem festgefügten, viel zu engen Bild von Gott! Denn Gott rettet wen er will und wie er will – und das ganz ohne eure theologische Expertise.
Wahrscheinlich denkt Petrus auch an diese Szene aus dem Leben Jesu, wenn er aus dem 118. Psalm zitiert. Und ich bin sicher, bei den Lesern seines Briefes knüpft der Apostel hier an Bekanntes an.
Ja, so war es mit Jesus selbst gewesen: von den Römern gekreuzigt, weggeworfen wie ein unnützes Stück Bauschutt, aber nach drei Tagen bereits lebendiger denn je. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Und durch ihn lädt Gott plötzlich auch solche Menschen zu seinem Volk ein, an die vorher niemand jemals gedacht hätte. Leute, die nie dazu gehört haben, weil sie halt die falschen Vorfahren hatten. Nutzloses Geröll eben. Aber die nun dazukommen dürfen, die nun auch als lebendige Steine auferbaut werden, die mit allen anderen zusammen von dem lebendigen Eckstein Christus zusammengehalten werden – zu einem neuen und lebendigen Bauwerk.
Und das ist nicht irgendein Bauwerk. Petrus nimmt noch auf einem anderen Text der heiligen Schriften Bezug: Vor langer Zeit kündete der Prophet Jesaja von einem auserwählten, kostbaren Eckstein, den Gott selbst auf dem Zion legen würde (Jesaja 28,16). – Kein Zweifel: Jesus ist für den Apostel Petrus der Grundstein zum neuen Tempel Gottes. Dieser Tempel besteht nicht mehr aus mineralischen Steinen, sondern aus „lebendigen Steinen“ – den Christen. Die Kirche ist dieser neue, geistliche Tempel Gottes – gegründet auf einem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen wurde, aber bei Gott auserwählt und kostbar ist. Errichtet aus lebendigen Steinen, auch aus solchen, die, wie Petrus schreibt, einst nicht sein Volk waren, nun aber auch Gottes Volk sind.
Ihr seid das! – so schreibt es Petrus seinen Lesern, von denen viele offenbar nicht aus dem jüdischen Volk stammten, sondern weiß Gott woher kamen. Von Anfang an ist die Kirche das multinationale Projekt Gottes. Und allen, die kommen, versichert Petrus: Ihr dürft dazugehören, weil Gott euch genauso liebt, wie er schon damals unsere jüdischen Vorfahren liebte, die er gegen alle historische Wahrscheinlichkeit immer wieder gerettet und am Leben erhalten hatte: aus der Sklaverei in Ägypten, aus der babylonischen Gefangenschaft und unzählige Male dazwischen und danach. Und nun habt auch ihr, die ihr dazugekommen seid, von seiner unermesslichen Freundlichkeit kosten dürfen.
Diese Freundlichkeit Gottes, das ist, so schreibt Petrus, die vernünftige Milch, nach der wir alle gieren sollen, wie die Neugeborenen. Sie manifestiert sich für uns in Jesus Christus, dem Eckstein, der uns alle als lebendige Steine trägt. Auf ihn sind wir getauft. In ihm sind wir neu geboren.
Und das hat Folgen. Petrus nennt diese Folgen bereits in dem Satz, der unserem Textabschnitt vorausgeht: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede“ (1.Petrus 2,1).
Wir sind getauft! Wo wir auf Christus als dem lebendigen Eckstein Stein ruhen, wo wir uns von diesem Stein zusammenhalten lassen, da werden wir zu einem geistlichen Bau, der diesen Namen auch verdient, weil er in jedem einzelnen seiner Steine die Freundlichkeit Gottes ausstrahlt. Das ist doch unsere einzige Aufgabe als Christen, als Kirchengemeinde: diese Freundlichkeit Gottes spürbar zu machen in allen unseren Lebensäußerungen. Und ohne Grenzziehungen. Gottes Liebe gilt nicht nur binären weißen Männern, sondern allen Menschen, sie gilt gleichermaßen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Wenn wir damit wirklich Ernst machen, dann braucht uns um den Bestand der Kirche nicht bange zu werden.
Die Kirche lebt ja nicht, weil wir Menschen ihre Zukunft planen – in Strukturdebatten und Fusionsbeschlüssen. Sondern sie lebt dort, wo und weil Gott sie auferbaut auf dem Eckstein, den er selbst gelegt hat – und das von Anfang an gegen alle menschlichen Zukunftsmodelle! Die Kirche lebt dort, wo sie sich von Gott aufbauen lässt zu einer geistlichen Alternative zur Katastrophenwirtschaft dieser Welt.
Wir sind getauft! Das ist die lebendige Basis für all unser Tun. Das darf uns zuversichtlich stimmen und gleichzeitig gelassen machen gegenüber allen menschlichen Planungsversuchen, wo sie den lebendigen Eckstein Jesus Christus zur Nebensache machen. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.
Und hier möchte ich auf den anfänglich zitierten Kindervers zurückführen. „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein …“ Nein, es ist ja nicht wirklich das Ziel dieses alten Kinderspieles, sich zu verstecken. Ziel ist es vielmehr, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Wenn irgend möglich, wenn sich im Verlauf des Spiels die Gelegenheit dazu bietet, will ich raus aus meinem Versteck, zum Eckstein gelangen und mich an ihm freischlagen. In jeder Spielrunde wieder neu.
Lassen wir uns hier von den Kindern und ihrem unschuldigen Spiel geistlich auf die Sprünge helfen: Ich bin getauft! Das ist der wichtigste Befreiungsschlag in meinem Leben. Ja, Christus ist für mich der Eckstein, bei dem ich wirklich frei bin. Frei von Sünde und Tod. Frei bei ihm, der von den Menschen verworfen und gekreuzigt wurde, aber von Gott auferweckt und zum Eckstein erwählt wurde. Er ist so für mich die fleischgewordene Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes. Auf ihn mein Leben zu bauen, das schenkt mir Leben in Ewigkeit.
Liebe Gemeinde! Wenn Martin Luther depressiv wurde, nahm er ein Stück Kreide und schrieb damit vor sich auf die Oberfläche seines Schreibtischs: Ich bin getauft! Dann wusste er: Es ist Gott, der mich in seiner großen Menschenfreundlichkeit als sein Kind angenommen hat. Es ist Christus, der Eck- oder Grundstein, auf dem mein ganzes Leben ruht. Das gilt. Das lässt mich frei sein. Weil ich getauft bin. In alle Ewigkeit. Was kann mir passieren?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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