5.S.n. Trin., 20.07.2025, Mutterhauskirche, Matthäus 9,35-10.10, Jonas Marquardt
Predigt Mutterhauskirche 20.VII.2025 – 5.n.Trin.
Matth.9,35-10,10
Liebe Gemeinde!
Das alte masurische Lied von der sommerlichen Feldarbeit (EG 513: "Das Feld ist weiß") und Jesu Blick übers sommerliche Land …. sie haben beide nicht das Unbeschwerte, das sorglos Seelenbaumelnde, das wir in diesen Wochen suchen.
Vielleicht war’s also ein Fehler, so einen Sommersonntag in der Kirche zu beginnen …….
Wenn’s aber nur Kirchenernte wäre, über die Jesus sich sorgt und seufzt, … wenn’s also nur darum ginge, dass so viele Arbeitsfelder in den Gemeinden und im seelsorglichen, religionspädagogischen und auch diakonischen Bereich unbestellt bleiben, … nun, dann könnte man sich schon beruhigen. Denn das kannte ja bereits die Antike: Den sogenannten Landwechsel, bei dem auf Anbau, Saat und Ernte die Brache folgte. Der urbare Boden muss regelmäßig ja auch unbestellt bleiben, um seine Fruchtbarkeit zu bewahren. Es muss Jahre geben, in denen alles still liegt - so wie wir im Sommer -, um danach wieder Zeiten zu ermöglichen, in denen das Leben sich regt, in denen es Ackern und Rackern gibt, durch die dann Segen erwächst. … Und dann heißt es nach der alten Lutherübersetzung, die falsch ist, aber die noch die Bauern in meiner Kindheit ganz unbedingt bei ihren Beerdigungen hören wollten: „Und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen …“ (Ps.90,10).
Schuften und Sterben. Fleiß und Loslassen. Schweiß und Ausgespannt-Werden: So sind die mit den schwieligen Pranken, mit der Hornhaut bis in die Fingerspitzen und dem unauswaschbaren Erdrand unter den Nägeln ans Lebenswerk und seinen Feierabend gegangen. Es muss auch Brache geben. Manchmal oder irgendwann gibt’s nichts mehr zu tun. Dann läutern die Glocken und alles andere verstummt. ……. ——
Schön, wenn es also nur das wäre mit der Ernte: Das, was wir naturvergessenen Kinder der künstlichen Welt den Biorhythmus nennen, den wir mit Entschleunigung und Achtsamkeit und Meditationsübungen in seinen schöpfungsgemäßen Wechsel von Treiben und Verharren, von Hochdruck und Luftablassen bringen wollen. Denn dass kein Segen auf dem immerwährenden Senden, Machen, Leisten liegt, hat sich gleichzeitig mit dem Wahn der ewigen Selbstverbesserung rumgesprochen: Der Stress, mit dem Stress aufzuhören, ist dabei der letzte Schrei der Selbstoptimierung geworden.
Was also wär’ so schlimm daran, wenn’s da ein großes Potential gibt, das eingefahren werden könnte, und bloß zu wenig Energien und Arbeitskräfte, um es auch zu realisieren?
Was also echauffierst Du Dich, Jesus? Entspann’ doch, wenn Dein Kirchenfeld – jedenfalls hier und heute - zur Brache wird! Es wird ihm guttun. Es wird sich regenerieren in der Zeit, in der nichts los ist. Du selbst hast doch gesagt, dass der Same schon aufgehen und wachsen wird … und kein Mensch weiß, wie (vgl. Mk.4,27). ———
– Doch das ist es nicht!
Jesus quengelt nicht über den Fachkräftemangel in Sachen organisierten Glaubens. Er ist nicht bang, dass ihm die Leutchen im Amt oder die Nachfrage nach dem volkskirchlichen Angebot oder die zur Weihnacht ins Leben zurückkehrenden Leichen in der Kartei ausgehen können. Er ringt nicht die Hände über seine heilige Kirche, über die er als bloße Organisation in diesem Fall vermutlich tatsächlich mit Luther über- und einstimmen würde: „Lass fahren dahin, / sie haben’s kein Gewinn: / Das Reich muss uns doch bleiben!“ (EG 362,4).
Wenn wir nur wüssten, was die Kirche ist – Jesu eigener Leib, der sich aus den Getauften, den Glaubenden aller Zeiten unsterblich zusammenfügt und weil er von den Toten auferstanden ist niemals verschwinden, niemals mehr untergehen kann – … wenn wir also nur wüssten, was die Kirche ist, dann würden wir nicht missverstehen, was der Kummer unseres Herrn angesichts der faulenden Ernte, des ungenutzten und unbrauchbar verfallenden Segens ist. … Kirchenbauchschmerz ist es nicht. … Die Kirche lebt! … Jede Wette! … ——
Es ist ein anderer Schmerz, der ihn da packt, wenn er die brutale Verwahrlosung auf dem Grund der Welt sieht, wenn er die vernachlässigten Fluren, die wuchernden Wildnis und daneben die wunderreichen Ansätze auf der Erde sieht, die sich zwar zeigen im jungen Grün und blühenden Leben, …. nur um dann erstickt zu werden oder auf dem Halm zu vertrocknen und zu welken. …
– Wen aber kümmert’s? …….
– Und das ist der Kummer!
Dass niemand sich um die Welt kümmert. Dass niemanden das Elend schert. Dass niemand für die Menschen sorgt. Dass viel zu wenige mit anpacken. Dass viel zu wenige die Hand an den Pflug legen. Dass viel zu wenige sich überhaupt die Hände schmutzig machen wollen. Dass Du nicht da bist. Und dass ich nicht da bin. Und dass wir nicht da sind, wo wir doch so sehr, so sehr, so sehr gebraucht werden.
Das ist der Kummer Jesu, … sein Welt-Schmerz!
Wir dürfen nämlich nie vergessen, dass die Kirche nur eine kleine Parzelle ist in der viel größeren Landschaft Gottes. Und dass die Sorge und die Sendung Jesu darum nicht nur einem Feld, sondern Wald und Wiese, Steppe und Auen, Berg und Tal in sämtlichen Weltgegenden in allen Himmelsrichtungen genauso gelten wie dem Kirchengärtlein.
Der Herr der Kirche ist ja der Herr der Welt!
… Bloß was für eine Welt das ist! … Zu was für einer Welt sie wird. … In was für einer Welt auch heute der durstige und abgekämpfte Jesus (vgl. Joh.4,6!) steht und zu den Jüngern spricht: „Hebt eure Augen auf und seht auf die Felder, denn sie sind reif zur Ernte!“ (Joh.4,35) —
Diesen Ernteruf aus dem Johannesevangelium sollten wir aber genauso wie den Ernteseufzer aus dem Matthäusevangelium nicht schlicht mit der Missionsthematik – „Rasch, holt vorm Regen überall die Garben ein!“ – und auch nicht mit der Gerichtsthematik – „Jetzt ist alles reif und bald wird’s gesichelt und gedroschen und gesiebt!“ – gleichsetzen.
… Gewiss: Jesu Mission betrifft alle Menschen!
… Und ebenso gewiss: Sie ist das Gericht über die ganze Welt!
Aber Jesus muss die Menschen nicht ummähen und zusammenbinden, damit sie ihm gehören: Sie sind ja sein. Und sein Verfahren ist es auch nicht, die Welt und ihr Wesen oder Unwesen gewaltsam zu schneiden, zu rütteln und zu schütteln, um sie zu sortieren: Er ist ihr Richter, weil er sie zurechtbringt, weil er universal Recht bringen und Gerechtigkeit schaffen will.
Um aber genau so den Acker zu bestellen, … um also „die Gerechtigkeit auf den Acker zu bringen“ wie’s leitmotivisch in meinem jahrzehntelang nicht mehr gelesenen Lieblingsroman, Ernst Wiecherts „Jerominkindern“ in Anlehnung an den Propheten Jesaja heißt … dazu ruft und sendet Jesus die Seinen in unserm sommerlichen Sonntagswort vom Arbeitsalltag, vom Not- und Ernteeinsatz, die so dringend vor Augen liegen und so viel zu wenig mitwirkungsbereite Erntehelfer finden.
… In die Welt!
… An die Arbeit!
… Zu den Menschen! Damit nicht verdirbt, sondern reift und wirkt und hilft und nährt, was da an Gutem, was da an Segen, was da an Lebenskraft ausgesät ist!
Das ist der Auftrag der Apostel, die aufgrund des Erntefiebers Jesu in alle Lande und zu allen Generationen entsandt werden. Sie sollen erleben, was Jesus nach seinem Blick auf die weiß-wogenden Felder von Samaria bei Johannes (4,37f) sagt: „Hier ist der Spruch wahr: Der eine sät, der andere erntet. Ich habe euch gesandt, zu ernten, wo ihr nicht gesät habt…“
Was sie ernten sollen? – Die Saat, die mit Mose und den Propheten, mit der Armengesetzgebung und dem Gerechtigkeitsethos des Alten Testaments in die Welt implantiert worden ist.
Sie sollen zur Reife bringen und ernten, was wir eben miteinander gebetet haben: Dass endlich Rechtstreue auf dem Mist der korrupten Welt wachse und dass die Atmosphäre des Himmels, der keine Privilegien, sondern nur Gemeinschaft kennt, sich im Irdischen verströmt und Lebensgrundlage für alle wird (vgl. Ps.85,12).
Daran – an dieser Saat vom Sinai, in den Furchen und Spuren des nach Gerechtigkeit brüllenden Bauernpropheten Amos, mit dem Schmachten des Joel, der Hungersnot in der Heuschreckenzeit litt und brennend nach Geist dürstete (vgl. Joel 1+2), im Hegen der Hoffnungssaat des Jeremia, der Neues unter den Pflug nahm (vgl. Jer.4,3) – … daran gilt’s zu arbeiten.
Das gilt’s zu bestellen und zu ernten.
Denn das ist die apostolische Mission, zu der Jesus seine Zwölf und deren Nachfolger und damit uns alle entsendet, die wir hier sitzen, nicht um die Hände in den Schoß zu legen, sondern um Auftrag und Werkzeug zu empfangen.
Wir sollen im Auftrag des Herrn der Erde die weltweite Ernte des Segens befördern.
Die Zwölf, deren Mission und Dienst sich vom Ernteseufzer Jesu, von seiner Arbeitsungeduld mitten unter den weit ausgebrachten und dringend nötigen Saaten des Himmelreichs für die Erde herleiten, werden feierlich mit Namen genannt und ihre Ackerflur wird zunächst ebenso feierlich abgegrenzt: Es ist das Gebiet Israels, in dem sie predigen, heilen, wecken, kämpfen, therapieren und einfach ungeschützt und unverteidigt und für sich selber schlicht bedürfnislos für alle Bedürftigen und deren Bedürfnisse dasein sollen.
Dass es aber nicht nur bei diesem einen Flurstück für die Ernte des Reiches und des Rechtes Gottes bleiben sollte, dass also nicht nur für Israel Gerechtigkeit und Segen wachsen und reifen sollen, das steht schon in Israels Bibel selbst. In jenem entscheidenden Kapitel, in dem das Liebesgebot sich findet, das wir allzu schnell als Jesu neues Gebot identifizieren, während es doch das Gebot des Vaters ist, das Jesus verkörpert und erfüllt, … in jenem entscheidenden Kapitel 3.Mose 19 also, in dem es heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, da heißt es vorher (3.Mose 19,9): „Wenn ihr aber die Ernte eures Landes einbringt, sollt ihr nicht alles bis an die Ecken des Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten, sondern sollt es den Armen und Fremdlingen lassen. Ich bin der HERR, euer Gott.“
Jedes Feld und jeder Acker in Israel weisen also über sich hinaus und dienen von Anfang an auch den Ansprüchen der Anderen, der Fremden, der Menschheit aller Hecken und Zäune.
Die Fluren und Gemarkung Israels, mit ihren Rändern für alle sind also eine landwirtschaftliche Topographie der Ethik, die von Ackerrain zu Ackerrain seit den Tagen Josuas predigen soll: „Kommt her zu mir alle! Ich will euch erquicken! Kommt her, kauft und esset, kommt her und kauft ohne Geld. Tut euren Mund weit auf, ich will ihn füllen. Ich will euch mit dem besten Weizen speisen und mit Honig aus dem Felsen sättigen!“ (vgl. Matth.11, 28 / Jes.55,1 / Ps.81,11.17).
Ernte für alle.
Segen in Fülle.
Zufriedenheit ohne Beschränkung von fremder Seite und Versöhnung ohne Ausnahme des Fremden: Das ist es, was Jesus durch den „Sommer seiner Gnad“ (vgl. EG 503,13) vorantreiben und von den Seinen zu Garben gebunden, auf Hocken gesetzt, in die Scheuern der Menschheit gebracht sehen will! ——
… Aber der Blick stockt. Der Magen grimmt. Die Faust ballt sich unwillkürlich, wenn wir heute die Ränder des Ackers Israel in den Blick nehmen:
Den Gazastreifen. … Die mit menschenverachtender Brutalität Ausgehungerten. Die Kugeln empfangen, wo sie auf Getreide warten. Die verzweifelt mit leeren Gefäßen zur Nahrungsausgabe laufen und nie wieder den Hunger spüren werden, der sie da in die Todesfalle lockte. … Hin mit der Schüssel; heim nur im Sarg. …
Die Faust ballt sich in der Tasche. Im Mund läuft’s bitter zusammen. Das Herz verkrampft, wenn wir auf den Feld- und Tellerrand unseres eigenen Lebens schauen:
Die Bosnier in den weiß markierten Massengräbern, die uns vor dreißig Jahren schon nicht interessierten. Die Ukrainer, die wir heut vergessen. Die Flüchtlinge, die bald kentern, wo wir baden werden. Die Hoffnungslosen, die nirgends in den Festungen eines letzten Rests von Weltordnung mehr Aufnahme finden sollen. Der Reichtum, der das Essen hier lieber entsorgt und in Amerika lieber massenhaft vernichtet, als dass die Bedürftigen bei der Tafel und die Notleidenden auf dem Globus sich daran sättigten.
Pfui!, Pfui!, Pfui! – Wahrhaftig: Die Ernte ist groß. Nur der Arbeiter sind wenige!
Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende!
Einen Petrus gegen die Neo-Faschisten in Rom und in Thüringen und überall im christlichen Abendland, wo sie das Kreuz auf den Kopf stellen[i].
Einen Andreas, der in Griechenland die Flüchtlingsströme schützt.
Einen Jakobus, der die Pilger und die Leute der Straße in allen ihren Lebensgefahren segnet.
Einen Johannes, der nicht lügen, nur lieben kann.
Einen Philippus, den die Legende am Schwarzen Meer sucht, wo die Wirklichkeit einen Botschafter des Friedens braucht.
Einen Bartholomäus, der die Armenier und einen Thomas, der die Inder vor den interreligiösen Intoleranzen bewahrt.
Einen Matthäus, der Äthiopien, Süd-Sudan und Jemen aus dem Abgrund ihrer Bürgerkriege führt, und einen kleinen Jakobus, der die riesige Weltbevölkerung der kleinen Leute vor Missachtung und Verdrängung bewahrt.
Einen Simon und einen Judas Thaddäus, die ihre uralte Nähe zum Iran und zum Irak dort zu neuen Anfängen des Guten verwandeln.
… Und einen Judas Ischariot … für uns. … Für uns, die wir den Herrn der Ernte so oft im Stich lassen. Die seinen Erfolg wollen, aber nicht seine Mühe.
Ja, Herr, sende viele Arbeiter in die Ernte. … Groß wie sie ist.
„Wen soll ich senden?“, spricht Er da, nicht anders als einst bei Jesajas Berufung (vgl.Jes.6,8).
Und der antwortete:
„Hier bin ich. Sende mich!“
Amen.
EG 254, 1 + 2 + 4 („Wir wolln uns gerne wagen…“)
[i] Die uralten Legendenüberlieferungen, aber auch historische Erkenntnisse über die Missionsgebiete und die Stätten der Wirksamkeit und Martyrien der Apostel geben Anlass, die ursprüngliche Entfaltung des christlichen Zeugnisses und Dienstes mit heutigen Brennpunkten globaler Krisen und Not in Beziehung zu setzen.
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