1.S.n.Tr., 22.06.2025, Johannes 5, 39-47, Stadtkirche, Dr. Johannes Grashof
Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind’s, die von mir zeugen; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet.
Ich nehme nicht Ehre von Menschen an; aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen.
Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht? Meint nicht, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde; der euch verklagt, ist Mose, auf den ihr hofft. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben? (Johannes 5, 39-47)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde!
Vielleicht ist jemand von Ihnen ein Influencer oder eine Influencerin. Also jemand, der oder die im Netz eine Community mit einem Herzensthema informiert oder unterhält: Lifestyle, Reisen oder veganes Kochen …
Vielleicht gehören Sie aber auch eher zu den Followern, die schon einmal einen Kanal abonniert oder auch nur ab und zu ein Like gesetzt haben.
Wie dem auch sei: Influencer gibt es nicht erst seit der digitalen Revolution. Es gab sie schon in der Antike, auch zu der Zeit und im Kulturzusammenhang des Jesus von Nazareth: Meinungsführer, die zu jedem Aspekt des menschlichen Alltags etwas Hilfreiches zu sagen hatten. Im Neuen Testament treten diese Influencer oft unter dem Begriffspaar der „Pharisäer und Schriftgelehrten“ auf.
Natürlich gab es damals auch Follower, die ihren Influencern nacheiferten. Auch Jesus war ein Influencer, der viele Follower hatte.
Und, klar: Jesus hatte auch Hater. Leute, also, die sahen, was er tat, es aber nicht gut fanden. Um solche Leute geht es in unserem heutigen Predigttext. Sie hatten Jesus beobachtet, aber dabei festgestellt, dass sein Tun nicht ihren Lebensvorstellungen entsprach.
Sie hatten davon erfahren, dass er im Zugangsbereich zum Jerusalemer Tempel, am sogenannten Teich Bethesda, einen seit 38 Jahren gelähmten Mann heilte. Wie auch immer Jesus das getan hatte – er hatte es an einem Sabbat getan. Das aber war – zumindest in den Augen seiner Gegner – ein Verstoß gegen das Ruhegebot für den Sabbat. Niemand durfte an diesem Tag eine Arbeit verrichten, weder Mann noch Frau, weder Mensch noch Tier, weder Einheimischer noch Ausländer – nachzulesen im 2. und auch im 5. Buch Mose. Jesus durfte man ruhig unterstellen, dass er dieses Gebot kannte, also wissentlich dagegengehandelt hatte.
Okay, werden wir heute vielleicht sagen, das war ein Streitthema – vor langer Zeit in einem bestimmten regionalen Kulturzusammenhang. Aber nicht mehr unser Problem.
Doch vielleicht liegt das Problem ganz woanders. In dem Redeabschnitt Jesu, um den es heute geht, wird der strittige Anlass – die Heilung am Teich Bethesda – mit keiner Silbe mehr erwähnt. Hier geht es inzwischen um viel Grundsätzlicheres. In der Passage taucht das entscheidende Stichwort auf: „Ewiges Leben“. Etwas, dass jenseits aller körperlichen Unversehrtheit liegt. Unverlierbare Lebendigkeit. Das, wonach zu suchen, sich vor allem anderen in diesem stets mit Defekten behafteten und unausweichlich dem Tod geweihten Leben lohnt. – Ewiges Leben!
Jesus gesteht seinen Kritikern zu, dass sie danach suchen. Sogar, dass sie an der richtigen Stelle danach suchen. Unstrittig. Für einen jüdisch sozialisierten Menschen – und das galt für Jesus selbst wie für seine Gesprächspartner – war der unergründliche Schatz, der das Leben in seiner ganzen Fülle erschloss, allein das in den heiligen Schriften des jüdischen Volkes überlieferte Wort Gottes. Und der Name „Mose“ stand hier als Chiffre für alles, was Gott unüberbietbar und für alle Zeiten gültig den Menschen eröffnet hat.
Ja, auch ihr sucht in den Schriften, das gesteht Jesus seinen Gesprächspartnern unumwunden zu. Aber. Offenbar finden sie nicht. Offenbar lesen sie am Skopus dieser Schriften konsequent vorbei. Denn, und jetzt kommt ein harter Vorwurf: Ihr nehmt Ehre voneinander an. Oder modern übertragen: Ihr seid Influencer, die ihre kommunikative Autorität und Reichweite als manipulatives Machtmittel einsetzen mit dem Ziel, Menschen in eurem eigenen Sinne zu beeinflussen. – Wenn sie es damals schon gehabt hätten, dann hätten sie dafür gewiss auch TikTok, Instagram und X genutzt.
Ich kenne euch, sagt Jesus, ihr habt nicht die Liebe Gottes in euch. Genau das haben sie bewiesen, als sie Jesus sein heilendes Handeln während eines Sabbats am Teich Bethesda vorhielten.
Natürlich hat Gott den Ruhetag geschaffen. Als Tag ohne Mühe und Arbeit. Aber das heißt dann positiv gesprochen: als Tag, an dem alle, wirklich alle an der ganzen Fülle des Lebens teilhaben dürfen, die Gott zuvor in sechs Tagen geschaffen hatte. An der ganzen Fülle des Lebens teilhaben – das heißt doch: ich darf einmal unbeeinträchtigt sein von den Mühsalen des Alltags, von Stress und Druck, ich darf mich einmal losgelöst fühlen von jeder arbeitsbedingten Funktionalisierung, natürlich auch befreit von jedweder Diskriminierung, ja, unbehindert von sozialen oder gesundheitlichen Einschränkungen jeglicher Art. – So darf ich Geschöpf unter Geschöpfen sein!
Und es müsste jedem frommen Menschen einen Stich ins Herz versetzen, wenn er einen Mitmenschen sieht, der daran gehindert ist – zum Beispiel, weil er seit achtunddreißig Jahren unter seiner Lähmung leidet. Achtunddreißig Jahre! Das sind hochgerechnet 1.976 Sabbate, an denen er von der Teilhabe an der Fülle des Lebens ausgeschlossen geblieben war, ausgeschlossen von den Lebensäußerungen der Kultur- und Kultgemeinschaft seines Volkes. Der Tempelbezirk war für ihn unerreichbar, die Feste dort fanden ohne ihn statt. „… im Hause des HERRN … die schönen Gottesdienste des HERRN (schauen)“ (Psalm 27,4) – keine Chance. Weil er dafür nicht einmal die vorgeschriebene kultische Selbstreinigung hinbekam.
Hatte Gott ihn vergessen? Nein, Gott hat keinen vergessen – auch ihn nicht. Aber Gott hatte den Gelähmten seinen Mitmenschen zur Aufgabe gemacht. Achtunddreißig Jahre hat sich offenbar keiner für diese Aufgabe zuständig gefühlt.
Und nun kommt jemand, der ihm nach 38 Jahren die Möglichkeit gibt, an diesem Sabbat an der Fülle Gottes teilzuhaben. Dieser Mann schenkt ihm nach fast einem ganzen Leben den Sabbat neu. Dieser Mann bringt an ihm den Sabbat an sein Ziel. Er vollendet an diesem Gelähmten das Schöpfungswerk Gottes. Er macht für ihn erlebbar und für alle anderen sichtbar, was die Intention der Weisungen Gottes in den Heiligen Schriften ist, für die auch der Name „Mose“ steht: die Liebe Gottes. Er macht uns vor, was unsere Aufgabe ist, unser einziger Lebenszweck: Dass Sie und ich, dass wir alle uns gegenseitig dazu einladen und dazu verhelfen, an der Fülle Gottes teilzuhaben – und so seine Liebe weitergeben.
Alle Weisungen Gottes in den heiligen Schriften dienen der Förderung einer Teilhabe am Leben in seiner ganzen Fülle. Gottes Weisungen machen unser Leben erst zu einem Leben, das diese Bezeichnung verdient. Und sie vergessen niemanden. Nur deshalb hat unser Leben die Chance, etwas anderes zu sein als ein Überlebenskampf aller gegen alle.
Und deswegen sagte Jesus damals ganz provokativ: Es ist Mose, der von mir zeugt. Weil ihr an mir sehen und erleben könnt, dass der Sabbat nur als Akt der Liebe Gottes recht verstanden ist. An diesem Tag haben wir nicht zu unterscheiden zwischen arbeiten gehen oder nicht. Das ist viel zu kurz gegriffen. Wir haben zu unterscheiden zwischen dem, was das Leben mindert und dem, was es erfüllt. Und uns dabei zu entscheiden, wo wir hinwollen. Der biblische Sabbat ist nicht nur das Ziel der Woche. Der biblische Sabbat ist Symbol für das Ziel unser Leben insgesamt, das da wäre: uns an allen Tagen unseres Lebens gegenseitig zu einem Dasein zu verhelfen, das schon den Glanz des ewigen Lebens widerstrahlt.
Und wenn wir uns als Jesu Follower verstanden haben, dann wissen wir: Das Beispiel unseres Influencers steht als Frage an uns im Raum. Und nach der einzig angemessenen Antwort müssen wir nicht lange suchen. Wir kennen sie tief in unserem Herzen. Sie lautet: Ich setze mich dafür ein, meine Mitmenschen an der Liebe Gottes und an seiner Fülle teilhaben zu lassen, wo es in meinen Kräften steht. Ob wir uns einsetzen für Flüchtlinge, engagieren bei der Tafel, beim Besuchsdienst oder der Nachbarschaftshilfe – es gibt unendliche viele Betätigungsfelder.
Und vielleicht sollten wir das Wichtigste nicht vergessen: das Haus Gottes mit den schönen Gottesdiensten des Herrn. Wo sonst, wenn nicht hier, gilt doch exemplarisch: Hier darf jeder und jede an der ganzen Fülle des Lebens teilhaben; unbeeinträchtigt von den Mühsalen des Alltags, von Stress und Druck, losgelöst von jeder arbeitsbedingten Funktionalisierung, befreit von jedweder Diskriminierung. Hier darf jeder und jede unbehindert von sozialen oder gesundheitlichen Einschränkungen Geschöpf unter Geschöpfen sein. – So wird der Gottesdienst zum Modell für unser Leben insgesamt. Und zum Abglanz des Ewigen Lebens.
Das ist der größte Schatz, den Gott uns, seiner Gemeinde, anvertraut hat! Lassen wir die Türen unserer Gotteshäuser weit offen, wann und wo immer wir können. Denn, ja, es lohnt sich, das Schauen der schönen Gottesdienste des Herrn mit immer mehr Menschen zu teilen.
Damit es viral geht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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