2.So.n.Tr., 09.06.2024, Israel: Versuch einer Klärung, Mutterhauskirche, Ulrike Heimann

„Israel – Volk Gottes, Land und Nation: der Versuch einer notwendigen Klärung in schwieriger Zeit“

Liebe Gemeinde, (diese Predigt ist ein Wagnis, aber eines, das gewagt werden will, weil uns gerade in diesen schwierigen Zeiten Schweigen nicht weiterbringt. Dabei geht es mir nicht um Politik, sondern um unsere Haltung als Christenmenschen zu Israel.) Was meinen wir, wenn wir von Israel sprechen, was geht uns durch Herz und Geist, wenn von Israel die Rede ist?

Ich möchte Sie heute auf eine Zeitreise mitnehmen durch die Bibel bis in unsere Gegenwart und dabei dem Wort „Israel“ nachspüren. Es gibt kaum ein Wort, das so viele Facetten hat, wie „Israel“: Volk Gottes, Land und Nation – diese drei Wegmarkierungen habe ich in der Ankündigung gesetzt. Doch eigentlich fehlt die erste Markierung, der Ausgangspunkt für alles Nachdenken über Israel. Zuallererst ist Israel ein Name, der Name, den Jakob am Ende einer Nacht erhalten hat, in der er gerungen hat – mit sich und seinen Zweifeln und Ängsten, in der Sprache der Bibel mit einer numinosen Gestalt, sei es ein Dämon, sei es ein Engel, ein Kampf, aus dem er doppelt gezeichnet hervorging: verletzt und hinkend – und gesegnet und mit neuem Namen: Nicht mehr Jakob ~ „Betrüger“, sondern „Israel ~ der mit El/Gott ringt“. (Gen.32)

Der Name Israel weist uns in eine frühe Zeit zurück – in eine Zeit, in der nomadische Sippen mit ihren Viehherden durch den vorderen Orient zogen – zwischen dem Zweistromland und Ägypten. Von einer solchen Sippe erzählt die hebräische Bibel ab dem 12.Kapitel des 1.Mose: ihr Familienoberhaupt heißt Abram und er verehrt einen Gott El Schaddaj, der ihn anruft und ihm seine Begleitung zusagt und ihn auffordert, in ein Land zu wandern, das „ich dir zeigen werde“. Und dazu erhält Abram die Zusage, dass seine Sippe groß werden wird, zu einem Volk werden wird. Was entscheidend ist: Abram vertraut und bricht auf. In den nächsten Kapiteln werden verschiedenste Geschichten von Abram und seiner Sippe erzählt, die ins Land Kanaan kommt und dort umherzieht – immer den Weidemöglichkeiten für ihr Vieh nach. Und immer wieder auch Geschichten, die deutlich machen: entscheidend ist die Beziehung Abrams zu seinem Gott. Es geht um den Glauben, das Vertrauen in Gott. Gott ist ein mitgehender Gott.

Um den Glauben geht es auch in den Geschichten um Isaak und Jakob. Was wir von ihnen im 1.Mose lesen können, das sind keine verifizierbaren historischen Berichte, keine History, sondern Stories, Erzählungen über den Glauben der Vorväter von Sippen, die im Land Kanaan umherzogen. Erst viel später, in der Zeit der Könige von Juda und Israel, wurden die Erzählungen von Abram, Isaak und Jakob so miteinander verknüpft, dass sie eine einzige Familiengeschichte ergaben und so 12 Stämme zu einem Sippenverband zusammenfügten.

Das bedeutete auch, dass Erlebnisse, die eine Sippe, ein Stamm in der Vergangenheit gehabt hatte, von den anderen als eigene und geteilte übernommen wurden. Das betrifft auch die wohl wichtigste Erzählung der hebräischen Bibel: die Erzählung vom Auszug des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Auch wenn es nur ein kleiner Sippenverband war, der gegen alle Erwartungen dem Pharao entkommen konnte, so zählte für alle, die diese Erzählung hörten, teilten und weitergaben, doch eines: unser Gott ist ein Gott, der uns befreit. Er hört, wenn wir in Not sind und ihn anrufen. Der Glaube an einen Gott, der befreit und der will, dass seine Menschen in Gerechtigkeit und Freiheit zusammenleben, der verband die 12 Stämme in Kanaan.

Das war allerdings gar nicht immer leicht, das wissen wir heutigen ja auch. Um den richtigen Weg des Zusammenlebens muss man immer wieder ringen. Für die Menschen damals hieß das, sich immer wieder mit Gott und seinem Willen zu befassen. Und so wurde der Name, den Jakob seit seinem Ringkampf am Jabbok trug, zum Namen für den ganzen Sippenverband, bildeten sie so das Volk Israel.

Volk des Bundes wird es in der hebräischen Bibel auch genannt, das Volk Gottes. Das Buch der Richter weist darauf hin, dass dieser Zusammenschluss der 12 Stämme wohl über einen längeren Zeitraum ein Verbund war, wo jeder Stamm in seinem Bereich halbnomadisch lebte und man zu bestimmten Festen an Orten zusammenkam, die einzelnen Stämmen heilig waren und die mit Erzählungen von Gott und den Erzvätern verbunden waren: wie Bethel (wo Jakob die Himmelsleiter im Traum geschaut hat) oder Mamre (wo Abram von den drei Männern oder Engeln besucht worden war, die ihm die Geburt Isaaks ankündigten).

Kanaan hatte neben den 12 Stämmen noch andere Bewohner, die in einzelnen Städten siedelten: wie in Jericho. In diesen Stadtstaaten herrschte jeweils ein König, der als der oberste Repräsentant der dort verehrten obersten Gottheit galt. Und so wie es heute zwischen Staaten Konflikte gibt, gab es sie natürlich auch damals. Konflikte zwischen den halbnomadischen Stämmen Israels und den ansässigen Völkern im Land Kanaan. Das eher lockere Stammesbündnis wurde bald als Schwachpunkt in der Auseinandersetzung mit den straff hierarchisch organisierten anderen Stadtstaaten und Völkern gesehen. Die Existenz als föderaler Staat, das wissen wir in der Bundesrepublik ja auch, ist oft sehr mühselig. Dass Gott doch der König seines Bundesvolkes war, das reichte den Israeliten nicht mehr: ein realer König sollte her; sie wollten sich so organisieren, wie die anderen Völker. Davon erzählen die beiden Samuelbücher.

Der erste König war Saul. Doch sein Königtum war nicht von Dauer. Nach ihm wurde David König. Er kam aus dem Stamm Juda. Die Erzählungen über ihn zeigen ihn als mutigen Jüngling im Kampf gegen Goliath, als sensiblen Musiker und Poeten, als treuen Freund und Frauenheld, als Söldnerführer und Machtmenschen, als frommen Mann und brutalen Eroberer. Er begründete eine Dynastie. Bereits unter seinem Enkel Rehabeam brach das Königreich aber in das Reich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem und in das Nordreich Israel mit der Hauptstadt Samaria auseinander. Trotzdem verbanden sich die Heilshoffnungen des Stammes Juda mit David und der Verheißung, dass sein Königtum ein ewiges sein soll.

Wohlgemerkt: das Land, auf dem die beiden Reiche und auch noch andere Herrschaftsgebiete existierten, z.B. die Edomiter, die sich von ihrem Stammvater Esau ableiteten, hieß nie „Israel“, es hieß Kanaan und der nördliche Teil wurde auch Samaria genannt und der südliche Teil Juda. Das Land lag in der Antike immer zwischen den damaligen Großmächten, den Assyrern, Babyloniern und Persern im Osten und den Ägyptern im Südwesten. Immer wieder wurden die dort wohnenden und siedelnden Völker und Stämme von diesen Großmächten in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt, ihre Städte erobert, die Ländereien verwüstet, die Menschen getötet, vertrieben, versklavt oder deportiert. Dagegen half es nichts, dass der 12-Stämme-Bund sich einen König zugelegt hatte.

Den Königsbüchern und auch den Prophetischen Büchern der hebräischen Bibel kann man einiges von den gewalt- und leidvollen Geschicken der Menschen in den beiden jüdischen Staaten entnehmen. Ebenso zeigen sie auf, wie die jüdischen Theologen nach der Katastrophe des Jahres 586 v.Chr. (Zerstörung Jerusalems und des Tempels und Deportation der Oberschicht nach Babylon) diese zu bewältigen versuchten: Schuld waren die Könige, die eben nicht die Gebote Gottes befolgt hatten; die Niederlage und die Zerstörung des Tempels war die von Gott verhängte Strafe. Als schwerste Sünde der Königszeit wurde ausgemacht, dass das Volk des Bundes sich verunreinigt hatte, indem es sich mit Menschen anderer Völker vermischt hatte – vom Königshaus angefangen bis hinunter ins gemeine Volk.

Die Rede von der Erwählung Israels als Volk Gottes bekam eine neue Ausrichtung. Es ging weniger darum, dass Gott Israel gerade als kleines und schwaches Völkchen erwählt hat, um an ihm zu zeigen, dass er für seine Menschen Rettung und Freiheit will und sie bewahrt. Nun wurde betont, dass Israel eben ganz anders sei als andere Völker, ein besonderes Volk, dass sich deshalb auch absondern muss von allen anderen – bis hinein in die Wortwahl: das hebräische Wort für Volk „ha ahm“ wird nur noch für Israel als „ha ahm elohim“ / Volk Gottes verwendet; alle anderen Völker werden mit „gojim“ bezeichnet. Genau damit geriet Israel aber in das gleiche Fahrwasser wie andere Völker: für die Griechen und später für die Römer waren alle anderen Völker „Barbaren“, für die Christen später die Menschen anderer Religion „Heiden“. Die Abwertung der anderen – eine Folge falschverstandener „Erwählung“.

Als der Perserkönig um 530 v.Chr. den Exilierten die Erlaubnis gab, in ihre Heimat zurückzukehren, setzten diese alles daran, die „Fehler“ der Königszeit auszumerzen und zu vermeiden. Eheschließungen zwischen Juden und Angehörigen der Gojim wurden verboten. Jüdische Männer, die mit Frauen verheiratet waren, die keine Jüdinnen waren, mussten diese fortschicken. So wollte man die Reinheit des Volkes bewahren. In den beiden biblischen Büchern Esra und Nehemia finden sich diese und andere Anweisungen aus dieser Zeit. Ein Verständnis von Erwählung und Volk Gottes, dem selbst in der hebräischen Bibel widersprochen wird. Der Prophet Deuterojesaja sieht die Rolle Israels ganz anders, nämlich bezogen auf die anderen Völker. Es heißt bei ihm: „Ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.“ (Jes.49,6b). Statt sich auf kultische und ethnische Reinheit zu beziehen, geht es Deuterojesaja und auch anderen Propheten um Recht, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Sich darum zu sorgen und sie allen Menschen und Völkern zu vermitteln ist Gottes Auftrag an Israel. Darin liegt der Kern der Berufung.

Gegen den kultisch-ethnischen Ansatz sprechen auch eine ganze Reihe weiterer Erzählungen in der hebräischen Bibel. Der Stammvater Joseph war mit einer Ägypterin verheiratet und seine Kinder folglich keine „reinen“ Juden. Mose war mit einer Kuschitin verheiratet, auch keine „Tochter Israels“. Und Ruth, die Urgroßmutter Davids, war eine Moabiterin.

Die Bemühung der Männer um Esra und Nehemia, das jüdische Volk Israel als besonderes Volk von allen anderen Menschen getrennt zu halten, hatte insgesamt nicht viel Erfolg. Erfolgreich dagegen war die Religion des Judentums, die sich immer stärker unter den Menschen und Völkern, die anderen Religionen anhingen, ausbreitete. Es waren gerade die ethischen Weisungen, die Hochschätzung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit und die Verkündigung Eines Gottes im Himmel und auf Erden, eines Schöpfers und Befreiers, der diesen Glauben attraktiv machte. In den drei Jahrhunderten vor der Zeitenwende – in der Zeit herrschten im vorderen Orient zuerst die Griechen und dann die Römer - kam es zur Gründung vieler jüdischer Gemeinden in den Gebieten und Ländern rund um das Mittelmeer. Diese Gemeindegründungen können wir uns ähnlich vorstellen wie die Gemeindegründungen des Apostels Paulus. Es gab beides – eine regelrechte jüdische Mission und ein gewachsenes Interesse, das von „heidnischer“ Seite kam, das Proselytentum. Am kultisch-ethnisch-reinen Judentum hängende Juden standen dem ablehnend gegenüber. Jude war man für sie nur durch Geburt von einer jüdischen Mutter.

Für unsere Themenstellung wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis darauf, dass seit der Zeit der Griechen das Land selbst Palästina hieß, unterteilt in Regionen und Provinzen wie Galiläa, Judäa, Samaria, Idumäa, Peräa. Von 141 v.Chr. an gibt es in Judäa ein jüdisches Königtum, die Dynastie der Makkabäer bzw. Hasmonäer, eine Zeit voller Intrigen und kriegerischer Auseinandersetzungen, die ihr Ende findet, als Pompejus 63 v.Chr. Jerusalem erobert. In der Folgezeit setzen die Römer Vasallenkönige über Palästina bzw. über einzelne Provinzen ein. 66 beginnt der jüdische Aufstand gegen Rom, 70 erfolgt die Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Ein letztes Aufbäumen des jüdischen Widerstandes führt zum Bar-Kochba Aufstand 132-135. Nach dessen Niederschlagung wird die Provinz Judäa in Palästina umbenannt.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen hatten einen enorm hohen Blutzoll unter der jüdischen Bevölkerung verursacht – durch Hinrichtungen, Hunger, Mord, Versklavung. Das Land lag brach. Wer konnte, emigrierte – zu den jüdischen Gemeinden in Asien, Afrika und Europa. Einzelne jüdische Gemeinden gab es aber immer auch in Palästina (Jabne), allerdings für lange Zeit nicht in Jerusalem.

So spannend es wäre, auch genauer auf die Geschichte der jüdischen Gemeinden in den folgenden fast 2000 Jahren zu sehen, so muss ich mich doch hier auf ein paar Stichworte beschränken – die Predigt würde sonst viel zu lang.

Die jüdischen Gemeinden gerieten seit der konstantinischen Wende (325 n.Chr.) unter den Druck des Christentums, das ein folgenschweres Bündnis mit der kaiserlichen, weltlichen Macht einging. Aus der verfolgten Kirche wurde die verfolgende Kirche. Die vorherrschende Theologie sah die Kirche als das neue und wahre Israel an, der neue Bund hatte den alten Bund abgelöst, das Evangelium die Befolgung der Thora obsolet gemacht. Die hebräische Bibel wurde ausschließlich als Schrift verstanden, die das Kommen Jesu im Blick hatte. Dass die Juden Jesus nicht als Messias anerkannten, wurde ihrer Verstocktheit zugeschrieben. Sehr bald galten sie auch als Gottesmörder. Im christlichen Machtbereich waren Juden eine Minderheit, die in entsprechenden Situationen als Sündenbock herhalten musste – z.B. beim Ausbruch der Pest, bei Missernten, bei Fehl- und Totgeburten und ähnlichen Gelegenheiten. Als biblische Begründung diente der Vers aus dem Matthäusevangelium, wo die Juden von Pilatus die Hinrichtung Jesu fordern mit der Bekräftigung „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ Ein Freibrief für unzählige Pogrome und Mordtaten von Christen durch die Jahrhunderte. Der religiös begründete Antisemitismus ist das Kainsmal des abendländischen Christentums und letztlich auch der Nährboden des rassistischen, biologistischen Antisemitismus der Neuzeit. Der Gedanke der Erwählung, der einmal der schwachen, kleinen Stammesgemeinschaft gegolten hatte, war in der Hand der herrschenden Kirche und Christenheit pervertiert in Gewaltausübung und Vernichtung.

Das Aufkommen des Nationalismus in Verbindung mit dem Kolonialismus im 19.Jahrhundert und der Säkularisierung weiter Teile der Gesellschaften Europas wirkten in doppelter Weise auf die jüdischen Gemeinden ein: die einen hofften auf den Durchbruch der Aufklärung und Vernunft und bemühten sich um Anerkennung in ihren Nationen, fühlten sich als Deutsche oder Franzosen oder Engländer jüdischen Glaubens. Andere, besonders in Osteuropa und im Zarenreich, erlebten gerade zum Ausgang des 19.Jahrhunderts eine Welle der Gewalt, Pogrome mit tausenden Toten. Ihre einzige Hoffnung verbanden sie damit, sich als jüdische Nation selbst zu regieren in einem eigenen Land. Sie fanden sich zusammen im Zionistischen Kongress, den Theodor Herzl initiiert hatte. Nach Zion, nach Israel – zurück in die alte Heimat, das verheißene, gelobte Land. Religiöse Inbrunst und weltliche Wünsche vermischten sich. 

Nach den Pogromen in Russland waren von dort einige Tausend jüngere jüdische Männer und Frauen ins damals von den Osmanen beherrschte Palästina gereist, um sich dort in Kibbuzim anzusiedeln. Eine der Parolen lautete: Ein Volk ohne Land kommt in ein Land ohne Volk und sorgt dafür, dass es ein blühendes Land wird, wo Milch und Honig fließt.

Doch Palästina war kein leeres Land, sondern Heimat von muslimischen und christlichen Arabern und Palästinensern, unter denen auch orientalisch-jüdische Gemeinden lebten. Je mehr Land die aus Europa kommenden aschkenasischen Juden aufkauften und je mehr Juden aus Europa sich ansiedelten, je mehr Konflikte gab es, die von beiden Seiten mit Gewalt ausgetragen wurden. Als das osmanische Reich 1917 zerbrach und die Engländer als Kolonialmacht das Protektorat über Palästina erhielten, geriet das zum Vorteil der jüdischen Einwanderung. Das christliche Europa entwickelte ein Faible für das Heilige Land, man wollte auf den Spuren Jesu gehen. Und da Jesus ja Jude gewesen war, hatten diese doch dort eher Heimatrechte als die Araber.

Letztlich erwies sich das unfassbare Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden Europas, die Schoah, als Geburtshelfer für die Gründung des Staates Israel auf dem Boden Palästinas. Zehntausende Überlebende der Verfolgungen fanden dort Aufnahme, der einzige Rettungshafen, nachdem andere Länder – auch die USA – schon in den dreißiger Jahren ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge geschlossen hatten.

Allerdings gab es bei der Staatsgründung einige Geburtsfehler, die maßgeblich verantwortlich waren und sind für die nicht enden wollenden Konflikte im Nahen Osten.

  1. a) Schon vor der Staatsgründung gab es bewaffnete Konflikte zwischen der einheimischen arabischen Bevölkerung und den neu ins Land kommenden Siedlern um das von den Kibbuzniks von korrupten Großgrundbesitzern aufgekaufte Land, von dem dann die einheimischen Dorfbewohner vertrieben wurden.
  2. b) Um ihre Vorstellungen von einem Israel, wie es in der Bibel beschrieben wird, durchzusetzen, wurden systematische Vertreibungen, ethnische Säuberungen von israelischer Seite durchgeführt. In der christlichen Welt wurde dazu geschwiegen.
  3. c) Der neugegründete Staat wurde als demokratischer Staat gegründet, aber die Rechte und Pflichten waren nicht gleichmäßig auf alle seine Bürgerinnen und Bürger verteilt. Alle Rechte und Pflichten waren nur den jüdischen Staatsangehörigen zugedacht. Die noch im Land wohnenden Palästinenser und Araber, Muslime und Christen, Drusen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften unterliegen bis heute vielen repressiven Vorschriften. Israel befindet sich heute mehr denn je im Würgegriff eines völkisch-religiösen Nationalismus.

 

Es liegt eine große Tragik darin, dass Menschen, die doch selbst in ihrer Geschichte als religiöse Minderheit unendlich viel Leid und Verfolgung erfahren haben, nun selbst anderen Leid zufügen, die sie als weniger wert betrachten, weil sie nicht zum auserwählten Volk gehören, deren Kultur und Traditionen sie geringschätzen (etwas, was sie übrigens mit vielen Europäern teilen). Ja, aus Opfern können Täter werden. Da hilft es nur scheinbar, sich selbst immer als Opfer zu sehen, die Angst zu beschwören, ohne wehrhafte Gewalt der Vernichtung preisgegeben zu sein. Angst und Gewalt werden niemals Israel in Sicherheit und Frieden leben lassen. Nur eine Aussöhnung mit den Palästinensern bringt eine Lösung, und der Weg dorthin ist anstrengend und braucht von israelischer Seite zuallererst die Anerkennung der eigenen Schuld an der Nakba, an der Vertreibung und Enteignung der Palästinenser, an der ethnischer Säuberung des Landes – mag sie auch ihre Wurzel haben in der erlittenen Not der Schoah.

Vielleicht sollten sich unsere jüdischen älteren Geschwister einmal die Geschichte ihres Namensgebers zu Herzen nehmen, von der wir einen Teil in der Lesung gehört haben. Wo Jakob sich buchstäblich durchringt – durch seine Ängste vor der Begegnung mit seinem Bruder Esau, an dem er schuldig geworden war. Und was erlebt er am folgenden Tag? Der Bruder läuft ihm entgegen und fällt ihm um den Hals; er küsst ihn und sie beide weinen. (Gen.33,4)

Es ist wahr: die biblischen Texte können uns zu Worten des Lebens werden oder aber uns in Abgründe führen. Möge Gottes Geist uns und unsere jüdischen Geschwister auf den Weg der Gerechtigkeit, Versöhnung und des Friedens geleiten.

Alle anzeigen

Gemeindebüro

Image
Adresse
Fliednerstr. 6
40489 Düsseldorf

Tel.: 0211 40 12 54
Fax: 0211 408 98 16
Öffnungszeiten
Mo - Fr 9:00 - 15:00 Uhr
Dienstag 9:00 - 18:00 Uhr

Spendenkonto
Kirchengemeinde Kaiserswerth
DE40 3506 0190 1088 4672 28

Flüchtlingshilfe
Kaiserswerth: 0159-038 591 89
Lohausen: 0211 43 29 20


Cookies auf dieser Website
Um unsere Internetseite optimal für Sie zu gestalten und fortlaufend zu optimieren verwendet diese Website Cookies
Benötigt:
+
Funktional:
+
+