Konfirmation, 07.05.2023 (Kantate), Mutterhauskirche Kaiserswerth, 1.Samuel 16,7, Jonas Marquardt

Predigt Konfirmation - Mutterhauskirche 7.V.2023                                                                                            

                            1.Samuel 16,7

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Mit weniger als zwanzig Stunden Verspätung seid Ihr jetzt dran.

… Gestern hätte ich nicht darüber sprechen wollen, weil es mich zu sehr abgelenkt hätte; aber heute, wenn wir zurückblicken auf einen Tag, der schon vergangen ist, und vorausblicken in Euer Leben, das wir noch nicht kennen können, könnten wir ja Verbindungen suchen. …….

Gestern ist da einer zusammen mit seiner Frau gekrönt worden in der Westminster Abbey, und heute sitzen fünfzehn Menschen hier in der Mutterhauskirche, und es scheint äußerlich fast keine Gemeinsamkeit zwischen dem feierlichen, ein bisschen steifen, ein wenig auch lächerlichen, auf jeden Fall aber vollendet traditionsreichen Spektakel dort und unserem nüchternen, unglamourösen Jugendgottesdienst hier zu geben: Ihr seid zwar pünktlich hier eingetroffen, aber niemand von Euch fuhr eine achtspännige Kutsche und auf der Straße hat man Euch weder beklatscht noch ausgebuht. Ihr seid zwar wirklich anständig gekleidet, aber ich erkenne nirgends weißen Hermelin-Pelz und die Diademe fehlen. Wir haben lebendige und fröhlich-schmissige Musik, aber kein Wörtchen davon ist in Gälisch oder sonst einer keltischen Sprache. … Ihr sitzt auf keinem Steinbrocken unterm Stuhlboden, … Ihr habt keine Schwerter und Szepter zu jonglieren, … Ihr möchtet höchstens an den Stufen des Altars nicht stolpern, müsst Euch aber um rutschende Kronen keine allzu großen Sorgen machen, … und wenn Ihr nachher fertig seid, wird es - vermutlich - keine farbenfrohe Darbietung der Luftwaffe zu Euren Ehren über Einbrungen oder Kalkum geben. …

Das scheinen mir die auffallendsten Unterschiede.

Doch wenn wir dies Drum und Dran mal weglassen, – das, was in London kameratauglich war und hier jetzt nicht passiert, weil die BBC halt so mit der gestrigen Einsegnung beschäftigt war –, dann wird es allmählich schon weniger grundverschieden, was sich hier und da er-eignet hat, ereignen wird. Wenn einer nichts sehen könnte und die vielen sehenswerten äußeren Details ihn also schlicht nicht beschäftigten, weil er so jemand ist, der sich einfach immer nur stur auf das Wesentliche konzentriert, dann fällt es schon schwerer, trennscharf zu unterscheiden. Dort im Glanz und hier im Licht des familiären und vertrauten Gemeindelebens stehen Menschen vor Gott, weil sie in das Kommende nicht ohne Ihn und Sein Segens-Versprechen gehen wollen.

Es sind Menschen hier wie dort. Ob man Konfirmand oder König ist, das läuft auf genau das selbe hinaus. So hat der kleine Junge, der am Eingang bei der gestrigen Krönung die ersten Worte des Gottesdienstes sprach, ja wahrhaftig deutlich gemacht: „Als Kinder des Reiches Gottes heißen wir Euch willkommen im Namen des Königs der Könige“[i], war die Begrüßung für den alten Knaben aus dem Hause Windsor und es könnte auch die Begrüßung für Euch sein.

Durch sie wird klar, wie blind Gott auf Seine Weise ist. … Natürlich nimmt Er Euch und uns und alles wahr. Aber es ist eben völlig unmöglich, Ihn zu blenden. Ihm etwas vorzugaukeln, Ihn - wie es heute heißt – „influencen“ zu wollen, ist sinnlos. Auf das, was wir vorspielen und darstellen, achtet Gott genauso viel wie der Blinde auf den Bildschirm. Und das ist die eigentliche Verbindung zwischen dem jetzigen und dem gestrigen Londoner Segensgottesdienst.

Wenn die Krönung eines Königs – so wie es in Zukunft vielleicht zu befürchten ist, weshalb wir für das gestrige Ereignis wirklich als Zeitzeugen dankbar sein können! –…wenn die Krönung eines Königs einst nicht mehr in einem Gottesdienst, sondern bloß auf einer Bühne oder Leinwand oder in einer Arena stattfinden sollte, dann müsste man den ganzen Zinnober dabei ernstnehmen, weil dahinter mehr nicht wäre. So etwas gibt es als Konfirmationsersatz schon ziemlich lange. Es heißt „Jugendweihe“[ii] und spielt sich in Dorfgemeinschaftshäusern, Stadthallen, Aulen oder Kneipen ab. Da sind junge Leute wie ihr; sie sind schick (oder was sie dafür halten), nervös, gelangweilt, hungrig oder ziemlich k.o., weil es am Vorabend lang war. Dann gibt’s geschwollene Reden und Tamtam von Erwachsenwerden und Träume-Verfolgen und Verantwortung usw., und danach Cash und raus. Alles, so wie es Euch auch hier vielleicht vorkommen mag, wenn Ihr oder ich oder wir jeweils heute gerade einen doofen Tag haben. … Und das war’s. … Ach nein: Fotos noch von den Klamotten und Frisuren, die später als peinlich gelten werden. … Und das war’s!      

… Was hier dagegen anders ist? … Der Blinde hier, Der die Frisuren und die Figuren und die Show und die Scham überhaupt nicht sieht. Wenn Der dabei ist – so wie gestern in Westminster und gestern auch hier in der Mutterhauskirche und gestern auch bei den Beerdigungen in der Ukraine und gestern auch bei den mit der Todesstrafe bedrohten, geheimen christlichen Bibelstunden in Nordkorea und im Iran und gestern auch bei den Sabbatgottesdiensten im wackligen Land Israel – wenn der große Blinde dabei ist, Der alles sieht, nur nicht unsere Außen- und Angeberseiten, dann ist alles anders! Dann ist nämlich alles entweder schön und feierlich oder Schnickschnack und TicToc - und man kann das eine oder das andere gernhaben -, aber wichtig ist dann in Wahrheit nur noch das Dabeisein dieses Einen, Der eine Krönung nicht von einer Konfirmation unterscheiden kann!

Das liegt an Seiner eigenen Königsgeschichte. Die erste Krönung die Er, Gott selber angestoßen hat, vollzog sich auf einem Bauerngehöft im Dörfchen Bethlehem. Dort wurde unter lauter gangstermäßig aufgepumpten Brüdern, die alle das Zeug zum Clanhäuptling gehabt hätten, ausgerechnet der Kleinste von ihnen ausgewählt. Ihn wollte Gott zum König machen, obwohl er höchstens eine halbe Portion war. …Weshalb? Auf diese von den verdatterten Anwesenden kommende Frage, die alle den tollsten Hecht im Karpfenteich bei dieser Jugendweihe und Siegerehrung von Bethlehem ausgezeichnet sehen wollten, antwortete der Prophet Samuel mit dem Hinweis auf Gottes Sehschwäche (1.Samuel 16,7) … oder Gottes Sehstärke?

„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der HERR aber sieht das Herz an!“ 

 Und von dieser verblüffenden Salbung Davids, der in den Augen der Menschen nicht das war, was der Schulhof einen „Ehrenmann“ nennt, dafür aber ein Mensch nach Gottes Herzen … von dieser verblüffend unspektakulären Salbung auf dem Hinterhof leitet sich das Ritual der Westminster Abbey mit dem alten Charles genauso ab, wie das, was wir hier tun.

Aus dem Stamm des kleinen David kamen nach ihm ja alle Könige in Gottes Volk. Auch der, dessen Namen Ihr seit der Taufe tragt und den Ihr eben weiter tragen zu wollen versprochen habt: Jesus, in Bethlehem genauso im Bauerndunst geboren wie sein Vorfahr David darin gesalbt wurde. In diesem Jesus aber ist Gott selber erschienen, und zwar so, dass man Ihn mit dem normalen Blick nicht erkennen würde.

… Man kann in einem Säugling im Trog und in einem Mann, der am Kreuz stirbt, schließlich ans sich nichts anderes erkennen als Armut und Leid.

Aber der Glaube sieht in dieser Armut und diesem Leid - weil er tiefer in Gott hineinsehen darf - genau das Umgekehrte: Den Reichtum der Liebe Gottes, Der Schweres und Schlimmstes mit uns teilte, um auch Sein Schönstes mit uns zu teilen, … Sein Leben!

Wenn Ihr das innerlich ahnt, wenn Ihr das anfangt zu erfassen – dass nicht die leicht erkennbaren ersten, äußeren Eindrücke zählen, sondern das, was sich verbirgt und nur dem Vertrauen zeigt – , dann seid Ihr Christen!

Und dann ist das, was Euch gleich gesagt und getan wird, tatsächlich die selbe Krönung und Salbung und Segnung wie die, bei der gestern die ganze Welt zugeguckt hat.

Auch da war nämlich nicht der Pomp und Spuk das Herz der Sache, sondern die Botschaft, dass ein ganz anderer König jetzt in den Geschichten und Verhältnissen und Aufgaben und Hoffnung der beiden Menschen, die man sah, wichtig werden will.

Jesus, der Christus - der Gesalbte, der Euch zu Christen und Christinnen macht.

Der Euch Seinen Geist und Seine Liebe mitteilt, damit Ihr sie weitergebt: Nicht nur an andere, die auffallen oder gefallen, sondern an alle, die sie innerlich nötig haben.

Lernt und übt Ihr also, was auch Euch guttut: Nicht vor die Menschen und die Welt zu gucken, wie reine Zuschauer, sondern dahinter.

Ihr werdet da nämlich die Anwesenheit Gottes in allen Dingen, in allen Menschen, in aller Wahrheit und in Eurem Leben finden! Und dann werdet Ihr merken, dass alles viel hoffnungsvoller und lohnender ist, als der oberflächliche Blick es meint.

Alles an dieser Welt ist verheißungsvoll. Alles an Eurem Leben ist sinnvoll.

… Vielleicht nicht von hier und heute aus mit bloßem Auge betrachtet.

Aber wenn Ihr dahinterkommt, dass Gott in allem auf Euch wartet, dass Er da sein wird und dass Ihr bei Ihm Euch selbst mit allem, was in Euch ist, verstanden und aufgehoben wissen sollt, dann wird Euer Weg als Christen und Christinnen voller Segen sein!

Und gerade das, was man nicht einfach sehen kann, wird dann aus dem Glauben, aus dem Vertrauen hervorgehen: Schweres, das überstanden und Böses, das machtlos wird, … Hilfe, die Euch begegnet und Wunder, die Ihr erfahrt, … Größeres, als Ihr Euch vorgenommen habt und Kleineres, das besser war als die riesigen Wünsche.

Bei der Krönung gestern fand der unsichtbare Augenblick der eigentlichen Salbung mit dem Öl aus der Grabeskirche in Jerusalem hinter einem Schirm statt, der das schützte, was Blicke ohnehin nicht erfassen können.

Aber auf diesem bestickten Schirm stand der Satz einer unglaublich fröhlichen, eigenwilligen Christin des mittelalterlichen England, … der Satz der Julian of Norwich[iii]:

All shall be well and alle manner of thing shall be well.

Alles wird gut werden und alle Arten von Ereignissen werden gut werden!“

Und hinter diesem Satz findet sich Euer ganzes Leben als Christen.

Bei Eurer Konfirmation ist also wahrhaftig ganz viel dahinter!

Und nun seht es … nicht mit Augen, sondern mit mehr: Mit Eurem Glauben!

Amen.

 

[i] „Your Majesty, as children of the kingdom of God we welcome you in the name of the King of kings” lautet dieses neu in die Liturgie eingefügte Element auf S.20 in: The Coronation Service  https://www.royal.uk/sites/default/files/documents/2023-05/The%20Coronation%20Order%20of%20Service.pdf

[ii] Die als lieblos und verletzend empfundene kritische Behandlung der Jugendweihe hat bei Gottesdienstbesuchern Widerspruch hervorgerufen. Solcher Widerspruch ist sinnvoll, wie umgekehrt eine klare und scharfe Kritik an der bewusst antikirchlich konzipierten Form der Jugendweihe, die zur Bestreitung und Ersetzung der etablierten Kasualie dienen sollte, m.E. nötig und legitim ist und bleibt. Dass in einer immer aggressiver werdenden öffentlichen Zurückdrängung von Christentum und Kirche die Kontroverse – früher: „Apologetik“ – eine zentrale Funktion unserer Diskurse ist, dürfte einleuchten. Wo die Entwicklungen gesellschaftlicher und privater Rituale u.ä. ihren programmatischen Transzendenzverlust betreiben, wird unser Widerspruch als Kirche nach meiner Hoffnung ebenso programmatisch sein.   

[iii] Zum sog. „Anointing Screen“ vgl. die ausführliche Darstellung: https://www.royal.uk/news-and-activity/2023-04-29/the-anointing-screen.  Zu Julians (ca. 1342 – 1416) entsprechender Überzeugung, dass Gott alles gute machen werde, vgl. ihre XIII. Offenbarung, in der dieses Leitmotiv begegnet, in: The Showings of Julian of Norwich: Authoritative Text. Contexts: Criticism, ed. Denise N. Baker, (A Norton Critical Edition)  New York/ London, 2005, S.39 – 56; vgl. Besonders: “I may make alle thyng wele. And I can make alle thyng wele. And I shalle make alle thyng wele. And I wylle make alle thyng wele. And thou shalt se thy selfe that alle maner of thyng shall be wele” (S.43).    

Alle anzeigen

Gemeindebüro

Image
Adresse
Fliednerstr. 6
40489 Düsseldorf

Tel.: 0211 40 12 54
Fax: 0211 408 98 16
Öffnungszeiten
Mo - Fr 9:00 - 15:00 Uhr
Dienstag 9:00 - 18:00 Uhr

Spendenkonto
Kirchengemeinde Kaiserswerth
DE40 3506 0190 1088 4672 28

Flüchtlingshilfe
Kaiserswerth: 0159-038 591 89
Lohausen: 0211 43 29 20


Cookies auf dieser Website
Um unsere Internetseite optimal für Sie zu gestalten und fortlaufend zu optimieren verwendet diese Website Cookies
Benötigt:
+
Funktional:
+
+