2. Christtag, 26.12.2025, Mt 1, 18-25, Stadtkirche, Doerthe Brandner

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. 

Amen 

 

Ein irisches Weihnachtslied (Quelle unbekannt):

Wenn der Gesang der Engel verstummt ist,

Wenn der Stern am Himmel untergegangen,

Wenn die Könige und Fürsten heimgekehrt sind,

Die Hirten mit ihren Herden fortgezogen sind,

Dann erst beginnt das Werk von Weihnachten:

Die Verlorenen finden,

Die Zerbrochenen heilen,

Den Hungernden zu essen geben,

Die Gefangenen freilassen,

Die Völker aufrichten,

Den Menschen Frieden bringen,

In den Herzen musizieren.

 

Noch, liebe Gemeinde, ist der Gesang der Engel nicht verstummt und die Hirten sind noch nicht wieder heimgekehrt. Noch stehen wir im Licht von Weihnachten – auch heute am 2. Weihnachtstag noch und übermorgen am Sonntag und noch bis in das neue Jahr hinein.

Doch spätestens an dem ersten Wochenende im neuen Jahr rückt der Alltag wieder in greifbare Nähe. Mancher seiner Schatten mag sogar bis heute reichen.

Dann, liebe Gemeinde, beginnt die Zeit, in der es an uns ist, das Werk von Weihnachten zu beginnen.

 

Das Werk von Weihnachten…

Es war in der Woche zwischen dem 3. und dem 4. Advent. Aufgebracht erzählte mir eine Frau bei unserer Begegnung von etwas, das sie furchtbar ärgerte. Und sie schloss ihren Bericht mit den Worten: Diese Person und ihr Verhalten haben mir das ganze Weihnachten verleidet!

Das ganz Weihnachten ist mir verleidet…

Die Worte klangen mir noch nach, als unser Gespräch längst beendet war. Das ganze Weihnachten…

Was diese Frau wohl damit meinte?

  • Besinnlichkeit?
  • Harmonie und Familienfrieden?
  • Zwei bis drei Tage, in denen die Sorgen und die Schatten des Alltags draußen bleiben und einfach mal alles gut ist?

Je länger mir die Worte der Frau und ihr spürbarer resignativer Ärger nachgingen, desto ratloser wurde ich…

… das ganze Weihnachten. Das klingt so groß und umfassend. So absolut. ALLES ist verleidet – das GANZE Weihnachten…

Hatte nicht irgendjemand mal gesagt: Die Botschaft von Weihnachten ist so groß und gleichzeitig so klar und eindeutig, dass sie quasi in eine Nuss passt?

Weihnachten in nuce.

Dann ist dieses Jahr Weihnachten für meine Gesprächspartnerin wohl zu einer tauben Nuss geworden – weil jemand und etwas sie bitter geärgert hatte?

Wenn das so ist,

wenn Weihnachten so anfällig und labil sogar für kleinen, persönlichen Ärger ist, dann geht es wohl auf in Hirtenromantik, im seligen Lächeln des Kindes mit lockigem Haar und süßem Glockenklang.

Auf keinen Fall ist Weihnachten mit seiner Botschaft dann so kraft- und machtvoll, dass der Himmel auf die Erde kommt und – wie es in einem Weihnachtslied heißt: Dass Sünd und Hölle sich grämen und Tod und Teufel sich schämen (EG 39 Str. 2) – und in einem anderen die Tür zum Paradies wieder aufgeschlossen ist (EG 27, 6).

 

Die Weihnachtsgeschichte, in der der Evangelist Matthäus von der Geburt Jesu erzählt, gibt eine Ahnung davon, dass dieses Ereignis etwas anderes ist als Familienharmonie und als das, was viele von uns in unserem Herzensgrund für diese Tage ersehen.

Matthäus erzählt von einem Weihnachten, das die Kraft hat, Menschen dazu zu bringen, von persönlicher Kränkung abzusehen und stattdessen in den Sperrigkeiten und Widrigkeiten des Lebens, in die man selbstverursacht oder von anderen geschubst, hineingeraten ist, ein gottgewirktes Wunder zu entdecken.

Hören wir, was der Evangelist Matthäus in seinem ersten Kapitel berichtet:

Mt 1, 18-25

18Die Geburt Jesu Christi geschah aber so:

Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich,

ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. 

19Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war

und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. 

20Als er noch so dachte, siehe,

da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach:

Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. 

21Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben,

denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 

22Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde,

was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: 

23»Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären,

und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«,

das heißt übersetzt: Gott mit uns. 

24Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er,

wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 

25Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar;

und er gab ihm den Namen Jesus. 

 

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so:

So beginnt ein nüchterner Bericht – ganz anders als die: Es-war-einmal-Geschichte des Evangelisten Lukas, die sich zu der Zeit begab, als Quirinius Statthalter von Syrien war.

Und es mag sich für die eine und den anderen beim Hören anfühlen, als stolpere sie und er in ein ungeplantes Ereignis hinein, genauso wie Josef in die ungeplante und unerwartete Schwangerschaft seiner Verlobten hineinstolperte.

Und mit Josef stehen wir mit diesem Bericht des Mt vor der Frage und der Herausforderung:

  • Nehmen wir Reißaus und verabschieden wir uns stiekum aus dem Geschehen wieder hinein in die Heimeligkeit unserer Weihnachtszimmer?
  • Oder lassen wir uns mit dem Bericht des Mt zu einer Weihnachtserkenntnis führen, die uns ebenso – wie Josef die nicht von ihm herbeigeführte Schwangerschaft von Maria – nötigt, die Dinge, die das Leben aufgibt, in einem ganz anderen Licht zu sehen?

Die Dinge, die das Leben aufgibt –

Für meine Gesprächspartnerin in der vergangenen Woche war dies eine zugefügte Kränkung. In dieser Geschichte ist es, wie auch heute für unzählige Frauen hier und anderswo, eine ungeplante – oft auch ungewollte – Schwangerschaft zur Unzeit, die eine junge Frau wie Maria damals – und junge Frauen auch heute noch anderswo und auch hier – aus der sozialen Ordnung fallen lässt.

Und eigentlich denke ich, müsste nun der Evangelist Mt in seinem Bericht im vorauseilenden Gehorsam des Kindes, das als Erwachsener jeden Menschen, der ihm begegnete, ansah, nach Maria fragen – und mit ihr nach all den Marias überall auf der Welt: Du Mädchen – du Frau…

  • Wie geht es dir?
  • Welche Sorgen und Ängste treiben dich um?
  • Wirst du dieses Kind annehmen – am besten sogar lieben können – oder wird es dir fremd bleiben – sogar eine bittere Erinnerung an die Umstände sein, durch die du schwanger geworden bist?
  • Oder gibt es womöglich eine trotzige Dennoch-Freude in dir über das wachsende Leben?

Damit die Marias dieser Welt –

so gesehen und gefragt werden, wird dieses Kind dieser Maria geboren werden und leben.

Und vielleicht wird es Menschen ja so sehen und fragen können, weil seine Mutter in der Schwangerschaft mit ihm gelernt hat: Was auch immer die Menschen sagen mögen: Dieses Kind ist ein Gotteskind. Denn nur durch Gottes Zutun wächst es in mir.

Und die Botschaft dieses Gotteskindes an jeden Menschen wird sein:

DU bist ein Gotteskind. Aus Gottes Segen lebst du und mit Gottes Segen gehst du – immer. Gottes Segen ist stärker als alles Lebensleid und alle Kränkung.

 

Doch da ist der Evangelist Matthäus noch nicht.

Er überlässt es seinen Lesenden diese Schlüsse zu ziehen.

Mt rückt Josef in den Fokus.

  • Und lese ich dies aus heutiger Sicht, denke ich: Ja, natürlich muss – auch – Josef in den Blick rücken, denn eine Schwangerschaft ist nie nur allein Frauensache!

Mit Matthäus ist es Josef aufgegeben, sich zu der Schwangerschaft seiner Verlobten zu verhalten – oder eher noch eine Haltung zu ihr zu finden.

Das überfordert Josef.

Aus seiner Sicht gesehen finde ich es sehr verstehbar, dass er einen Ausweg für sich sucht. Und es ist achtenswert, dass er diesen Ausweg so sucht, dass Maria als unverheiratetes schwangeres junges Mädchen damit in der damaligen Gesellschaft maximal geschützt ist.

Ihm hilft die mythologisch gefärbte Begründung, dass Maria jungfräulich schwanger geworden sei – also Gott selber durch den Heiligen Geist der Vater? – der Verursacher? – der Erzeuger? – des Kindes sei, erst einmal nicht. Das klingt in Josefs Ohren doch nach einer allzu abenteuerlichen Ausrede.

Und mal ehrlich! – Wer von uns kann schon als wacher, denkender Mensch mit Glaubensinbrunst die Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses mitsprechen: Geboren von der Jungfrau Maria? – Die Konfis in meinen bisherigen rund 30 Berufsjahren sperrten sich zumindest meist heftig dagegen.

Kein Wunder, dass Josef sich davonstehlen will.

Wie viele Menschen mögen sich aus diesem Glauben und der Kirche stehlen, weil die Forderung nach einem Glauben mit Aussagen in der Qualität einer Jungfrauengeburt sich ihrem aufgeklärten Geist zu tiefst sträubt? – Aussagen, die stehen gelassen werden, statt sich an ihnen reibend sie tiefer zu durchschmecken, sodass die in ihnen liegende Wahrheit jenseits der Richtigkeit der Worte beginnt zu leuchten. –

Und dann träumt Josef.

Und im Traum begegnet ihm ein Engel, der das Unglaubliche bestätigt und Josef zu der Erkenntnis führt: Die Verantwortung, die ich als Verlobter habe, reicht viel weiter als nur bis zur Fürsorge für Maria.

Josefs traumhafte und engelsgewirkte Erkenntnis liegt nicht in dem Für-wahr-Halten der jungfräulichen Schwangerschaft. Sie liegt darin, Gottes Mit-dieser-Welt-Sein zu entdecken und als Aufgabe für sich selbst anzunehmen.

Der Auftrag, den der Engel Josef gibt, ist ebenso schlicht wie groß:

  • Nenn das Kind bei seinem Namen und mach diesen Namen öffentlich.

Vordergründig betrachtet ein völlig folgerichtiges Verhalten, wenn ein Kind geboren ist.

In der Tradition damals aber wenigstens unerwartet, wenn nicht ein Bruch mit allem, was sich gehört: Söhne hießen nach ihren Vätern und Vorvätern. Denn in der eigenen Familie findet man seine Wurzeln, seine Herkunft und Zugehörigkeit.

Jesus – Jeshua – diesen Namen gab es in dem Stammbaum Josefs nicht, wie in den Versen vor diesem Bericht deutlich wird.

Unerhört ist deshalb der Name, den Josef dem Kind geben soll.

Ungehörig – und unerhört, denn die im Namen liegende Botschaft ist offenbar lange nicht mehr gehört worden:

Gott mit uns – Immanuel

Und mit dieser Namensgebung erfolgt ein Perspektivwechsel, der radikaler nicht sein könnte:

Was wir sehen und wie wir die Wirklichkeit benennen, zeugt von unserer Wahrnehmung und unserem Er-Leben.

Wenn wir es schaffen von unserer Wahrnehmung abzusehen und den Raum unserer eigenen – freiwilligen oder unfreiwilligen – Verstricktheit in die Dinge der Welt zu verlassen, öffnet sich uns der Blick hin zum wahren Wesen dieser Welt, das jenseits unserer Verfügbarkeit liegt.

In diesem Bericht von der Geburt Jesu erhält Josef genau diese Aufgabe: Den Sprung aus dem Gefangensein in persönlicher Kränkung und eigener Weltsicht zu wagen – sich loszulassen und die eigene Wirklichkeit zu verlassen – hinein in den Segen dessen, der vor allem Anfang war – der schöpfungsgleich die Welt durchwirkt – und der nach allem Ende immer noch sein wird.

  • Den Segen, der heißt: Gott mit uns – Immanuel.

Das ist die Botschaft des Mt.

Mit Josef wird Weihnachten zum Ruf an uns, unsere Wirklichkeit bei dem Namen zu nennen, den sie von Gott her hat:

  • Immanuel – Gott mit dir und mir, wenn wir gefangen sind in den Kränkungen, die uns das Leben zufügt.
  • Genauso, wenn wir in unserem eigenen Kleingeist verharren,

wie wenn die frisch erfahrene Kränkung an einen viel früheren und tiefer liegenden Seelenschmerz rührt.

Immanuel, Gott mit uns –

  • Gott mit all den Frauen, die schwanger sind, und die Angst haben, dass sie mit ihrer Schwangerschaft nicht akzeptiert werden und ihrem Kind schon jetzt der Platz im Leben verwehrt wird. – Und mit allen Männern, die vor ihrer Verantwortung fliehen wollen.

Immanuel, Gott mit uns –

  • Gott in unserer Welt überall dort, wo wir ob der Brüchigkeit und Gebrochenheit unseres Daseins an unsere Grenzen geraten.

Immanuel, Gott mit uns –

  • Gott in unserer ganzen Welt – hier bei uns: auf Parkbänken und in Odachlosenunterkünften, auf Säuglingsstationen, Babyklappen und in Wohnheimen für jugendliche Mütter und ihre Kinder. Und überall – in der Ukraine und in Palästina, im Sudan und in Venezuela – ach die Liste ließe sich endlos fortsetzen und jede, jeder hier mag ergänzen, was und wer ihr, was ihm am Herzen liegt... jetzt in er Stille
  • Stille

Immanuel, Gott mit uns –

Mit seiner Geburt schreibt Gott sich die Brüche, die Seelennot und das Leid jedweder Art in den eignen Leib.

Mit seinem Leben wird er seinen Gott-mit-uns-Weg weitergehen.

Mit seinem Tod wird er ihn bis zur Neige auskosten.

In gut drei Monaten werden wir schon wieder Jesu Tränen von Gethsemane sehen und unter seinem Kreuz stehen – und an Ostern werden wir die Erfüllung dieses Gottesweges mit uns feiern.

Deshalb:

Immanuel, Gott mit uns – mit seiner Welt, in all ihrer Weinen machenden Schönheit und in all ihrer sogar Klagen zum Verstummen bringenden Dunkelheit.

Das ist die Botschaft von Weihnachten, die so groß und einfach ist, dass sie in eine Nuss passt.

Mit ihr beginnt das Werk von Weihnachten, das wir mit Gottes Hilfe weiterführen und durch das neue Jahr tragen werden.

Dazu segnet uns Immanuel – Gott mit uns.

Amen.

 

Kanzelsegen:

Und der Friede des Gottes-mit-uns,

der uns im Kind in der Krippe entgegenkommt,

der uns in Jesus von Nazareth begleitet,

der unseren Unfrieden mit seinen am Kreuz geöffneten Armen empfängt,

der am Ostermorgen die gesamte Schöpfung mit Jubel erfüllt,

der bewahre eure Herzen, Sinne und eueren Leib in der Gegenwart Jesu Christi.

Amen

 

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