2. Advent, 07.12.2025, Lk 21, 25-33, Tersteegenkirche, Doerthe Brandner
Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist, der da war und der da kommt. Amen
Liebe Gemeinde,
sicher haben Sie es alle schon betrachtet – diesen Cartoon der Peanuts [i], in dem Charly Brown in seiner unnachahmlichen Weise eine seiner Lebensweisheiten kundtut: Wenn du deprimiert bist, ist es ungeheuer wichtig, eine bestimmte Haltung einzunehmen…
… nur mit ihr kannst du ein bisschen Vergnügen an deiner Niedergeschlagenheit haben.
Vergnügen – was für ein Wort im Zusammenhang mit Niedergeschlagenheit!
Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen.
Zuerst einmal zu der Körperhaltung:
Sind Sie amüsiert oder irritiert über Charly Browns Selbsterkenntnis?
Fragen Sie: Was soll das?
Oder wurde bei Ihnen ein leises Wiedererkennen geweckt – vielleicht auch ein kleiner Aha-Moment: Stimmt, das habe ich auch schon gemerkt, dass sich das Leben unterschiedlich anfühlt, je nachdem, ob ich
- irgendwie schief und in mir selbst zusammengesunken dastehe,
- den Kopf hängen lasse,
- die Schultern nach vorne ziehe,
- die Beine oder Füße verschränke und dabei in der Taille einknicke
oder ob ich
- aufrecht und gerade sitze, stehe oder gehe
- ob ich meinen Füßen erlaube mit ganzer Fläche auf dem Boden zu stehen – in stabilem, hüftbreitem Abstand
- meinen Brustkorb weite
- und meinen Kopf hebe
…
Es macht einen Unterschied.
Es gibt sogar empirische Untersuchungen darüber, welchen Einfluss unsere Körperhaltung auf unsere Wahrnehmung und unser Erleben hat.
Das, was wir sehen oder hören ist immer dasselbe, aber WIE wir es sehen und hören und welche Schlüsse wir daraus ziehen – das kann je nach Haltung – Körperhaltung und innerer, Geistes- und Seelenhaltung bisweilen kaum gegensätzlicher sein.
- Sie alle kennen das sprichwörtliche halbleere oder halbvolle Glas Wasser…
Und so rege ich Sie jetzt zu einem Experiment an – oder Sie nehmen es als Spiel:
Achten Sie heute einmal auf Ihre Körperhaltung. Und versuchen Sie allem, was Sie hören – zwischenmenschlich oder in den Tagesnachrichten – jedem Ereignis, das Sie sehen, jedem Erlebnis das Sie haben, aufrecht – aufgerichtet – in einer offenen Haltung – zu begegnen. Und dann am Abend überlegen, ob etwas anders war an diesem Tag – und wenn ja, was es war.
Sie können mit diesem Spiel, diesem Experiment in diesem Gottesdienst beginnen – jetzt, wenn ich nun den Predigttext lese.
Er steht in Lk 21, in den Versen 25-33.
Text – Lk 21, 25 – 33
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an:
30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist.
31 So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.
32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.
Was haben Sie gehört, liebe Gemeinde?
Welche Botschaft dieses mehrschichtigen Textes ist für Sie in den Vordergrund gerückt?
Die Rede von den bange machenden Zeichen am Himmel und in den Meeren –
und die von der Furcht, die die Menschen angesichts der Ereignisse auf der Erde überfällt?
Oder klingen die Worte „Macht und Herrlichkeit“ und „Reich Gottes“ in Ihnen nach – und die Rede von dem, was unvergänglich ist und bleibt, weil es Gottes ist?
…
Beides – oder besser beide Seiten – nennt Jesus seinen Zuhörenden als Zeichen der Zeit – seiner Zeit.
Was sind die Zeichen unserer Zeit?
Es gibt die der einen Seite, die die laut und raumgreifend sind:
- Die sprechenden und vielen Menschen angstmachenden oder wenigstens Besorgnis erregenden Zeichen unserer Zeit in Form von Klimaerwärmung mit all ihren Folgen: angefangen vom Schmelzen der Gletscher und Polarkappen, über Stürme und Überschwemmungen einerseits und Wassernot andererseits. – Und wiederum daraus den Folgen aus existentiellem Mangel, Hunger und Lebensnot, Vertreibung, Flucht… oft verbunden mit Kriegen und Gewalt…
Diese Zeichen sind bedrängend klar. Selbst, wer lieber nicht so genau hinsehen will, kann kaum an ihren Folgen vorbeiblicken.
Sie zu sehen weckt mitnichten Vergnügen. – Allenfalls das grimmige, fatalistische und selbstmitleidige Vergnügen, das ruft: Es hat ja doch alles keinen Zweck mehr.
Ob es das Vergnügen ist, das Charly Brown meint?
Das Vergnügen dessen, der froh ist, recht zu behalten, auch wenn die Sache noch so schrecklich ist?
Und natürlich haben all diese Dinge recht.
Sie zu leugnen wäre – ich erlaube mir ausnahmsweise ein Urteil – in meinen Augen dumm.
Wie wir in diesem erst einmal wenig adventlich anmutenden Text lesen, leugnet auch Jesus die Realitäten nicht.
Wenn all das geschieht – sagt Jesus.
Wenn die Wirklichkeit ihre dunkle Macht und das Leben seine leidvolle Kraft entfalten,
dann – so Jesus –
dann ergreift nicht die Flucht.
Dann krümmt euch auch nicht zusammen und fallt in eine Art Schreckstarre in der Illusion, ihr wäret dann besser geschützt.
Nein!
Dann seht auf!
Und wirkliches Aufsehen geht nicht mit gesenktem Kopf und krummem Rücken.
Aufsehen braucht aufstehen – ein sich aufrichten oder besser sich aufrichten lassen – von der Kraft, die auch noch da ist: die Kraft der Macht und Herrlichkeit des Menschensohns.
Macht und Herrlichkeit – das waren die Attribute, die den „Gottessöhnen“ zukamen – Könige und Herrschende nannten sich damals z. Zt. Jesu so und stellten ihre Königsgewalt damit in einen unanfechtbaren Raum.
Heute nennt sich wohl kaum eine herrschende Person noch „Gottessohn“ – Unanfechtbarkeit nehmen dennoch etliche machthabende auch heute für sich in Anspruch.
Jesus bindet Macht und Herrlichkeit nicht an Normalsterblichen vermeindlich überlegene, Figuren.
Er setzt sie in eins mit dem Menschensohn.
Er fügt zusammen, was damals nicht zusammengehörte und heute auch kaum: Menschsein, das Sterblichkeit und Begrenztheit bedeutet, Bedürftigkeit UND Macht und Herrlichkeit als Kräfte, die alle Sterblichkeit und Begrenztheit, Bedürftigkeit in das Licht des: Es ist möglich. Du hast Kraft. Du kannst stehen und gehen und Leben wirken. – setzen.
Und mitten im Advent scheint die Osterbotschaft auf:
Leben, das nicht Leid und Schmerz vermeidet und versucht sich am Tod vorbei zu lavieren oder das alles Leidvolle Todbringende angeht und es verzweifelt bekämpft, sondern das sich in einem großen DENNOCH durch die Abgründigkeit des menschlichen Daseins hindurch entfaltet.
Seht auf, denn eure Erlösung naht!
Ja, können wir sie sehen,
diese Erlösung,
die die Realitäten, in denen wir leben, und die unsere Welt an den Abgrund treibt, weder verneint, noch sie mit vor der Zeit unsere Städte überflutendem Weihnachtslicht zu überdecken sucht?
Können wir sehen? – Sie sehen im Menschensohn – im Menschenkind – unbegreiflich großer Gott, nackt und unbehaust, angewiesen wie jedes Menschenkind – am Anfang seines Lebens und meistens auch zum Schluss?
Werden wir sehen können in zweieinhalb Wochen, wenn es Weihnachten wird?
Und wenn wir sie dann sehen werden, die Erlösung, wird es uns dann genügen?
Oder werden wir es wagen, weiter zu sehen?
So weit, dass wir erblicken, was uns vor Augen ist:
Menschensöhne und Menschentöchter überall, die um ihre Menschlichkeit wissen.
Die Kraft ihres Menschseins die Menschlichkeit aufrichten und sie hineinsprechen und hineinleben in alle dunkle Wirklichkeit.
Keine Augenwischerei und kein Anhängen von irgendwelchen Illusionen einer heilen Welt!
Kein so Tun als ob!
Sondern: Kopf hoch! Erlösung voraus!
Schaut auf den Feigenbaum – oder den Apfelbaum in eurem Garten oder auch nur den Zweig irgendeines Busches am Weg – sie alle singen auch im Dezember ihr Lied vom Leben.
Das Reich Gottes ist real. – Es ist eine genauso machtvolle Wirklichkeit wie das, was wir die Wirklichkeit unserer Welt nennen.
Eine noch machtvollere Wirklichkeit ist es sogar.
Denn es bahnt sich wassergleich seinen Weg durch jede Ritze Menschlichkeit. Es sickert durch jede, durch Barmherzigkeit porös gewordene Wand, die aus Neid, Missgunst, Gier oder Lebensangst zwischen Menschen errichtet ist.
Es wird von jedem Herzen weitergepumpt, das sich einmal wundersam kraft der Liebe geweitet hat.
Denn die Liebe ist das Wort Gottes, das nicht vergeht, selbst wenn Himmel und Erde vergehen.
Die Liebe als Gottes Wort war vor allem Anfang und ist nach allem Ende – in unsere Zeit gekommen ist sie in dem Menschensohn Jesus Christus.
An uns Menschensöhnen und Menschentöchtern – Menschenkindern von Gott her – ist es, die Welt für diese Liebe Gottes offen zu halten und die durch Jesus Christus gelegten Spuren der Lieben groß machen.
Dies zu tun in Wort und Tat ist uns aufgegeben:
- in verantwortlichem Reden und Handeln – gesellschaftlich, politisch, ökologisch, privat – als Kirche in unserer Stadt und Zeit…
- in fraglosem Lieben und Versöhnen – für uns selber und in unserem Miteinander, für die Welt als Ganzes und – vor allem stellvertretend für all diejenigen, die in ihrem eigenen Dunkel gefangen sind, das immer ein Spiegel des Dunkels der Welt ist.
Denn (EG 16,4):
Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und –schuld, doch wandert nun mit allen, der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält uns kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte kam uns die Rettung her.
So dichtete Jochen Klepper – wir werden das Lied gleich singen – adventlich in der politisch und gesellschaftlich und für ihn ganz persönlich apokalyptischen Zeit des Nationalsozialismus.
Dies zu leben ist uns Herausruf und Herausforderung, es ist uns Aufgabe – vor allem aber ist es uns Verheißung zu jeder Zeit.
Deshalb liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir zuversichtlich, hoffnungsfroh und Reich-Gottes-gewiss sind, dann ist es wichtig, eine bestimmte Haltung anzunehmen.
Das Verkehrteste wäre es mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern und eingezogener Brust dazustehen – weil du dann sofort anfängst, am Reich Gottes zu zweifeln.
Wenn du also auch nur ein bisschen – oder auch ganz viel – Vergnügen an den Zeichen des Menschensohns in vielen Menschenkindern und Menschenhandlungen haben willst,
dann musst du so (aufgerichtet, mit geöffnetem Oberkörper und erhobenen Kopfes) stehen!
Und die Liebe Gottes, die höher und tiefer ist, als alles, was wir begreifen, ermächtige eure Herzen und Sinne zu einem aufrechten Leben durch Jesus Christus.
Amen
[i] Anm.d.Red.: Aus urheberrechtlichen Gründen dürfen wir den Cartoon hier nicht zeigen. Doch Sie können ihn im Internet finden. Geben Sie in Ihre Suchmaschine z.B. ein "Cartoon Peanuts deprimierte Haltung", und Sie werden fündig!
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